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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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aufgelehnt. „Meine Mutter bekommt regelmäßig Anfälle wegen meines Verhaltens“, sagte sie und musste unwillkürlich lächeln.
    „Und die Tatsache, dass Sie auf Gott wütend sind und sagen, dass Sie nicht mehr an das Gebet glauben, unterscheidet Sie auch von den anderen. Ich könnte mir vorstellen, dass das überhaupt nicht Ihrer Erziehung entspricht. Wären die Leute um Sie herum nicht schockiert, wenn sie es wüssten?“
    „Sie wissen es aber nicht.“
    „Aber ich weiß es, Josephine. Und ich denke deshalb nicht schlechter von Ihnen. Ich halte Sie für eine Freundin. Denken Sie über das nach, was ich gesagt habe, und dann unterhalten wir uns weiter.“ Bevor sie widersprechen konnte, schlenderte er davon.
    Während Josephine ihren Spiegel nach oben brachte und ihn auf die Kommode in ihrem Zimmer legte, dachte sie über ihre merkwürdige Freundschaft mit Alexander Chandler nach. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie jemanden gefunden, mit dem sie offen reden konnte, jemanden, der sie nicht dafür tadelte, dass sie genau sagte, was sie fühlte und glaubte. Was für eine Erleichterung das war!
    Aber es war auch gefährlich. Nicht nur, weil er ein Yankee war, sondern weil es in ihrem Leben nie wieder eine Situation geben würde, in der sie diese Freiheit haben würde. Frauen sprachen nicht so mit ihren Ehemännern und schon gar nicht mit ihren Vätern. Wenn eine Frau Glück hatte, fand sie vielleicht eine Verbündete in einer Schwester oder Freundin, aber selbst eine gute Freundin könnte versucht sein, in einem Augenblick der Wut oder Schwäche ein Geheimnis preiszugeben.
    Josephine konnte nicht behaupten, dass ihr bei ihren Unterhaltungen mit Alexander Chandler ganz wohl zumute war, doch sie wusste, sie würde sie nicht aufgeben, und sei es nur deshalb, weil sie bei ihm die Gelegenheit hatte, offen ihre Meinung zu sagen. Aber sie hatte keine Zweifel, dass die Zeit kommen würde, in der ihr selbst das heimliche Vergnügen seiner Freundschaft – wenn es wirklich Freundschaft war – genommen werden würde.

Kapitel 18

    31. Mai 1865

    Drei Tage lang fuhr Eugenia jeden Morgen und jeden Nachmittag zu den benachbarten Plantagen, um alle in ihren gesellschaftlichen Kreisen zu ihrem Tanz einzuladen. Die Veranstaltung würde in einem Monat, am ersten Samstag im Juli, im Salon von White Oak stattfinden. Die meisten reagierten erstaunt, als sie hörten, dass sie ein solches Ereignis plante, während alle noch Mühe hatten, sich vom Krieg zu erholen, aber sie versprachen trotzdem zu kommen.
    Als Eugenia bei den Blakes war, um Priscilla einzuladen, brachte ein Dienstmädchen ihnen ein schönes Tablett mit Tee in Porzellantassen und gebügelten Leinenservietten. „Ich gestehe, dass ich dich um deine Dienstboten beneide“, flüsterte Eugenia, als das Mädchen fertig eingeschenkt hatte und auf Zehenspitzen das Zimmer verließ.
    „Es ist nur Kamillentee, Eugenia. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich glaube, wir sind es alle leid, nichts als Pfefferminz und Kamille zu haben. Und diese fürchterliche Zichorie! Aber was sollen wir machen? Ich werde froh sein, wenn wir wieder richtigen Tee und Kaffee haben. Und natürlich Zucker.“
    „Es spielt keine Rolle“, sagte Eugenia mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Ich finde das Ritual beruhigend, du etwa nicht? Porzellantassen und eine vorgewärmte Kanne, poliertes Silber und bestickte Servietten? Und ein Dienstmädchen! Das alles sind wunderbare Anzeichen dafür, dass unser Leben langsam in die Normalität zurückkehrt. Und genau deshalb plane ich auch diesen Tanzabend. Ich bezeichne die Veranstaltung nicht als Ball, weil … nun, für einen Ball sind wir noch nicht so recht bereit. Aber ein einfacher Abend mit Musik und Tanz ist doch eine schöne Sache, meinst du nicht?“
    „Glaubst du wirklich, dass dies ein guter Zeitpunkt dafür ist, Eugenia? Alle leiden noch unter den Folgen des Krieges.“
    „Genau deshalb ist es der perfekte Zeitpunkt. Steht in der Bibel nicht, dass es eine Zeit zum Trauern gibt und eine Zeit zum Tanzen?“
    „Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Trauer schon vorbei ist.“
    „Nein, aber wir dürfen uns ruhig gestatten, wieder glücklich zu sein – und sei es nur einen Abend lang. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Lieben nicht vermissen. Gott weiß, ich trauere immer noch um Philip und Samuel. Ich trage Schwarz, seit ich denken kann, und ich werde es auch weiterhin tun, weil ich gar nichts anderes besitze. Aber das Leben muss

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