Am Anfang ist die Ewigkeit
gerne.«
»Echt? Mädchen sehen sich gern in den Kleiderschränken von Typen um?«
»Wenn sie den Typ mögen, wollen sie möglichst viel über ihn erfahren.« Sie spielte mit ihrer Haarbürste herum. »Dieses kleine Kästchen auf deiner Kommode, das finde ich irgendwie spannend.«
Er hatte die Stiefel angezogen, verschwand im Schrank und tauchte wenige Sekunden später mit dem Holzkästchen wieder auf. »Meinst du das hier?«
Sie nickte, ohne ihm zu gestehen, dass sie bereits hineingeschaut hatte. »Es sieht so alt aus.«
Er trat auf sie zu und öffnete den Deckel. »Die Schatulle habe ich als Kind aus dem Holz eines abgestorbenen Hickory-Baums auf Kyanos geschnitzt. Ich habe etliche Monate gebraucht.« Er kam noch näher, um ihr den Inhalt zu zeigen. »Nachdem meine Mutter gestorben war, bekam jeder von uns vor der Beerdigung ein Stück von ihrem Umhang und eine Haarlocke.« Er nahm den Stoff aus der Schachtel und rieb ihn zwischen den Fingern. »Wenn ich nicht endlich damit aufhöre, wird der Stoff wohl eines Tages zu Staub zerfallen. Aber ich kann es einfach nicht lassen.« Er hob den Blick und sah sie an. »Merkwürdig, oder?«
»Nein«, flüsterte sie mit einem dicken Kloà im Hals. »Ich finde das überhaupt nicht merkwürdig.«
Er klappte das Kästchen zu und brachte es zurück an seinen Platz. »Bist du dann so weit?«, rief er ihr über die Schulter zu. »Ich wette, du hast Hunger. Hans macht gerade extra für dich seine weltberühmten Pfannkuchen.«
»Hans?«
»Unser Koch. Ein Purgator, der im Ersten Weltkrieg auf den Berg gekommen ist.« Jax kehrte ins Badezimmer zurück und sah ihr beim Schminken zu. »Das brauchst du doch alles gar nicht, Sasha. Du bist auch ohne Make-up unglaublich schön.«
»Typisch Mann.«
»Das war eine reine Feststellung.«
»Das sagst du doch nur, weil ich eine Anabo bin.« Sie beugte sich etwas näher zum Spiegel, um sich die Wimpern zu tuschen. Sie wusste, dass er jede ihrer Bewegungen genau beobachtete.
»Sieht gar nicht so einfach aus.«
»Man gewöhnt sich dran.« Sie lieà die Wimperntusche in ihr Kosmetiktäschchen fallen und suchte nach dem Lippenstift. Als sie fertig war, griff sie nach ihren Kleidern. »Ich gehe zum Anziehen in dein Schrankzimmer.«
»Muss das sein? Lass mich doch zuschauen.«
Sie drehte ihm den Rücken zu. »Dass ich nicht lache. Du würdest doch sofort abhauen, wenn ich es zulieÃe.«
»Stimmt. Aber nur, weil ich dann viel zu abgelenkt wäre, um frühstücken zu gehen.«
»Was ist eigentlich los mit euch Jungs? Was findet ihr nur an nackten Mädchen?«
Er ging ihr nach. »Nicht an allen nackten Mädchen. Nacktes Mädchen, Singular. Ich will nur dich nackt sehen.«
Sie hatte keine Ahnung, warum sie das tat, aber sie öffnete den Gürtel, streifte den Bademantel ab und drehte sich um. »Zufrieden? Jetzt hast du mich nackt gesehen. Und? Ist das wirklich so was Besonderes?«
Er sah nicht auf ihren Körper, sondern nur in ihre Augen. Er wirkte leicht verletzt. »Du musst dich nicht über mich lustig machen.«
Die ganze Welt stand still. Sie hätte schwören können, dass sogar die Flüsse aufhörten zu flieÃen und die Vögel nicht mehr sangen. »Ich würde mich niemals über dich lustig machen, Jax.«
Er wandte sich ab, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
Sie wusste nicht genau, was gerade passiert war, aber irgendwie fühlte es sich an, als hätte sie einem kleinen Hundewelpen einen Tritt verpasst. Hastig schlüpfte sie in ihre Sachen und machte sich auf die Suche nach ihm. Er stand am Fenster in seinem Zimmer und blickte auf die Berge hinaus. Sie stellte sich neben ihn und griff nach seiner Hand. »Bist du jetzt sauer auf mich?«
»Nein, ist schon in Ordnung, Sasha. Ich weià eben nicht, wann ich aufhören muss. Manchmal vergesse ich, dass du erst siebzehn bist und noch so voller Unschuld.«
»Ich weià schon, wie das läuft, Jax. Es ist ja nicht so, als hätte ich bisher in einer Seifenblase gelebt.«
»Natürlich weiÃt du Bescheid, aber du hast es noch nicht selbst erfahren.« Sein Griff wurde fester. »Obwohl ich jetzt seit tausend Jahren dieses Leben führe, habe ich genauso wenig Ahnung wie du, wie das mit uns funktionieren soll.« Er seufzte.
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