Am Anfang ist die Ewigkeit
stand, die sich gerade etwas auf einem Klemmbrett notierte.
Jax kopfte höflich an. »Hallo«, sagte er. »Ich suche Sasha Annenkova. Ist sie da?«
»Nein, tut mir leid.« Die Frau schien sich nicht besonders wohl in ihrer Haut zu fühlen. »Sasha ist heute ausgezogen.«
Verdammt noch mal. Er überlegte fieberhaft und machte ein paar Schritte auf die Frau zu, ohne ihr zu nahe zu kommen. Er trug zwar eine Sonnenbrille, aber Menschen bekamen auch dann Angst vor ihm, wenn sie seine Augen nicht sahen. Sie spürten instinktiv, dass er gefährlich war, düster und böse. Die Frau wirkte angespannt, aber nicht ängstlich. »Davon hat sie gar nichts gesagt. Dann muss das wohl eine plötzliche Entscheidung gewesen sein?«
»Ja, sehr plötzlich. Es hat eine Art Notfall in der Familie gegeben.«
»Sind Sie mit ihr verwandt?«
»Oh nein, ich war eine Kollegin ihrer Mutter. Ich soll nur die Wohnungsauflösung für sie regeln.«
Warum war sie so überstürzt ausgezogen? Wegen gestern Nacht? Hatte die Steinigung ihr eine solche Angst eingejagt, dass sie Hals über Kopf geflohen war? Für ihn war damit der schlimmste Albtraum wahr geworden. Er hatte eine Anabo gefunden, die für ihn bestimmt war, und nun war sie verschwunden. Kein Wunder, dass er den ganzen Tag so unruhig gewesen war.
Er war schon immer empfänglich für Vorahnungen gewesen. Deshalb war er seinen Brüdern oft einen Schritt voraus. Er wusste schon vor einem geplanten Zugriff, ob etwas nicht stimmte. Auch gestern Abend war er sehr unruhig gewesen und schon vor den anderen bei den Ravens aufgetaucht. Sie hatten die Gefangennahme der Ravens mehr als eine Woche lang geplant. Zee hatte bei einem Konzert in San Francisco eine verlorene Seele entdeckt und war dem Jungen erst nach Hause und dann zur Schule gefolgt. Dort war er auf die anderen Ravens gestoÃen. Nachdem sie den Skia der Gruppe ausfindig gemacht hatten, hatte Phoenix einen Plan für die Gefangennahme ausgearbeitet. Kurz bevor sie vom Mephisto Mountain aufbrechen wollten, hatte Jax jedoch schlechte Schwingungen empfangen. Er hatte seine Brüder gebeten, ihm zehn Minuten Vorsprung zu geben, und war allein aufgebrochen.
Sobald er in der Lagerhalle gelandet war, hatte er den goldenen Schimmer des blonden Mädchens gesehen und eine Nanosekunde später hatte ihr süÃer, salziger Duft ihn umgehauen. Er hatte seine Anabo gefunden! Auf diesen Moment hatte er über tausend Jahre gewartet. Jetzt war sie weg, aber er würde alles tun, um sie wiederzufinden.
Ihm war klar, dass er jetzt richtig gut schauspielern und lügen musste, um der Frau Hinweise auf Sashas Aufenthaltsort zu entlocken. Er steckte die Hände in die Manteltaschen. Sonst hätte er sie womöglich am Kragen gepackt und die benötigten Informationen aus ihr herausgeschüttelt. Dann sagte er zaghaft: »Ich ⦠ähm ⦠gehe auf Sashas Schule. Wir ⦠also, na ja ⦠wir sind zusammen und â¦Â« Er setzte eine völlig verwirrte und unglückliche Miene auf. »Ich hab keine Ahnung, wieso sie mich nicht angerufen und mir nichts gesagt hat.«
»Sie hatte keine Zeit, aber sie ruft dich bestimmt an, sobald sie angekommen ist.«
»Das hoffe ich. Wir wollen heute Abend zu einem Konzert.«
»Oh.« Die Frau schien nicht so recht zu wissen, was sie sagen sollte. »Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass sie das schafft. Sie ist nicht innerhalb der Stadt umgezogen, sondern nach Colorado. Sie wohnt für eine Weile bei ihrem Onkel und ihrer Tante.«
»Wissen Sie, wo in Colorado? Meine Eltern haben ein Haus in Telluride. Vielleicht fahren wir Weihnachten hin, dann könnte ich Sasha besuchen.«
Die Frau lächelte. »Also, so ein Zufall! Genau da ist sie hingezogen.«
Jax glaubte nicht an Zufälle. Alles hing miteinander zusammen, nichts geschah ohne Grund. Dass Sasha nach Telluride zog, nur dreiÃig Kilometer vom Mephisto Mountain entfernt, war ein Zeichen von Gott. Vor vielen Jahrhunderten war er mit Jax und seinen Brüdern den Mephisto-Bund eingegangen. Wenn sie verhinderten, dass Eryx die Herrschaft über die Hölle übernahm, sollte jeder von ihnen eine Anabo finden. Und wenn es ihnen gelang, sie für sich zu gewinnen, wenn sie bei ihnen blieb und selbst eine Mephisto wurde, würde ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen: Ihre rastlosen, zornigen Seelen würden
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