Am Anfang ist die Ewigkeit
stehen sollte? Sasha war sich nicht sicher, ob das einfach nur blödsinnig oder schon ernsthaft gestört war. Zwölf ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen aus St. Michaelâs standen schweigend im Halbkreis vor ihr und starrten sie finster an. Missy gab ihr von hinten einen Schubs, sodass sie aus dem Schatten in den Kerzenschein stolperte.
Sie spürte die boshaften Blicke und ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie sich auf feindlichem Territorium befand. Unwillkürlich verlieà sie der Mut. Sie musste all ihre Kräfte zusammennehmen, um nicht einfach kehrtzumachen und vor dieser unheimlichen Versammlung davonzulaufen. Die meisten Anwesenden kannte sie schon aus dem Kindergarten. Trotzdem starrten sie alle an wie eine Fremde, ohne jede Wärme, als wäre sie nicht willkommen.
Gehörte das etwa zu ihrer Initiation? Warum sollten sie ihr sonst so ablehnend gegenüberstehen? Sie war nur ein ganz normales Mädchen, nett und freundlich, besonders zu denjenigen, die gehänselt und geärgert wurden.
»Du willst also eine Raven werden«, sagte Amy Lee. »Wie kommst du darauf, dass wir dich überhaupt aufnehmen wollen?«
Noch bevor Sasha antworten konnte, sagte Casey Mills: »Sie will ja gar keine von uns werden. Missy sagt, sie ist bloà hier, weil sie wissen will, wer ihren Vater umgebracht hat.«
»Du bist eine Schwindlerin«, fügte jemand hinzu.
»Du willst uns nur benutzen.«
»Eryx will dich nur, wenn du voll und ganz dazugehörst. Wenn du bereit bist, auch Gott aufzugeben«, rief Amy Lee.
Dann redeten alle durcheinander. Sie rückten immer näher zusammen und schlossen den Kreis um Sasha, bis sie in der Mitte gefangen war und ihre FüÃe auf dem X standen. Sie spürte sogar die Wärme der Kerzen durch die Jeans.
In einem verlassenen Lagerhaus auf einem abgewandelten satanischen Symbol zu stehen und dabei von allen Seiten beschimpft zu werden, war absolut surreal. Hatte Missy sie etwa nur mitgenommen, um sie auf die Probe zu stellen? Verwirrt und verletzt suchte sie Missys Blick. »Warum?«, wisperte sie.
Ihre vermeintliche Freundin trat auf sie zu. »Weil du bist, was du bist«, sagte sie mit dumpfer Stimme.
»Was bin ich denn?« Sasha kapierte gar nichts mehr. Als sie sich das letzte Mal darüber Gedanken gemacht hatte, war sie sich zumindest nicht wie eine Vollidiotin vorgekommen.
Missys Augen verengten sich, während die anderen spöttisch lachten. »Du versuchst immer noch, uns auszutricksen. Hältst du uns wirklich für so blöd, dass wir das nicht merken?«
» Was denn merken?«
»Du bist eine Anabo«, sagte eine Stimme in ihrem Rücken â eine vertraute Stimme mit einem starken russischen Akzent.
Sasha wirbelte herum und sah mit starrem Blick, wie Alex Kasamov aus dem Schatten auf sie zutrat. Sie wappnete sich gegen die aufkommende Ãbelkeit. Er war etwa Mitte vierzig, und in den Augen reifer Frauen wie ihrer Mutter war er vermutlich ein ziemlich scharfer Typ. Aber auf Sasha wirkte er mit den nach hinten gegelten Haaren und den feurigen Augen eher wie ein Schleimer. »Was machst du denn hier?«
»Ich unterstütze die Ravens.«
»Wie denn? Und wieso?«
»An dem Tag, als Katya mich gebeten hat, dich zum Volleyballtraining in die Schule zu bringen, habe ich Casey getroffen. Er war gerade auf dem Weg zum Probetraining für das Football-Team. Mir war gleich klar, dass er ein bisschen Unterstützung gebrauchen konnte. Ich habe dafür gesorgt, dass er ins Team kommt, und er hat sich im Gegenzug bereit erklärt, weitere Jünger für Eryx zu suchen. Alles, was ich tue, tue ich für Eryx.«
»Warst du auch nur deshalb mit meiner Mum zusammen?«
»Ja, aber Katya wollte sich nicht darauf einlassen. Sie hat nicht erkannt, dass das, was ich anzubieten habe, der einzig wahre Weg ist.«
Er hatte versucht, Mum zu Eryx zu bekehren? Allein die Vorstellung war so absurd, dass sie eigentlich zum Totlachen gewesen wäre. Für Mum stand Gott über allem anderen.
Alex kam näher, die Umstehenden öffneten den Kreis und er blieb unmittelbar vor Sasha stehen. Unwillkürlich trat Sasha einen Schritt zurück, doch da waren wieder Missys Hände, die sie nicht entkommen lieÃen. »Anabo ist Griechisch und bedeutet Licht«, sagte er. »Bevor Eva in Ungnade gefallen ist, hat sie eine Tochter bekommen, Aurora. Deren Nachkommen
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