Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
Vom Netzwerk:
von Doros Agentur und ließ mich mit der Terminplanerin verbinden.
    »Hooge und Partner, guten Tag«, meldete ich mich mit dem Namen einer bekannten Werbefirma, den ich öfter mal von Doro gehört hatte. Ich erklärte, daß ich mich gerne morgen oder übermorgen mit Frau Tanning verabreden würde, da ich einen interessanten Auftrag anzubieten hätte.
    »Einen Moment, bitte«, sagte die Stimme, und ich hörte das Blättern von Papier.
    »Diese Woche geht es leider nicht. Frau Tanning ist ab morgen für drei Tage unterwegs. Nächste und übernächste Woche hat sie aber noch einige Termine frei.«
    Wußte ich’s doch, dieses Miststück.
    Ich bedankte mich, versprach, mich wieder zu melden, und feuerte mein Telefon wütend in die Tasche zurück.
    »Kathrin, Sabine, ich bin dabei!« rief ich quer durch die Wohnung.
    Wenn Friedrich, dieser Schuft, sich amüsierte, würde ich mich auch amüsieren. Ich würde es schon schaffen!

Elf
     
    Die Party stieg in der Fertigungshalle einer ehemaligen Baumaschinenfabrik vor den Toren der Stadt. Nur mit Gemüsesaft wollten Kathrin und Sabine doch nicht feiern, sie schlugen vor, mit dem Taxi zu fahren.
    »Außer, du willst trocken bleiben und uns chauffieren?«
    Darauf wollte ich mich lieber nicht festlegen. Meine Seelenverfassung war schließlich labil, und ich konnte nicht ausschließen, mir die Birne vollzuknallen.
    Die Mädels stylten mich nach besten Kräften, und ich sah staunend zu, wie ich mich vom Muttchen zur Partymieze mauserte. Ich sah gar nicht übel aus, als ich meine Jeans und die langweilige Bluse gegen einen lässigen schwarzen Hosenanzug eingetauscht hatte, den Kathrin »von früher« noch im Schrank hängen hatte.
    »Früher war ich auch mal dick«, sagte sie, und es klang in keiner Weise kränkend. Eher so, als sei es ein Versehen, das man problemlos korrigieren könnte.
    Sabine zückte eine Schere und griff sich eine Haarsträhne. »Darf ich?«
    »Eigentlich nicht«, erhob ich Einspruch, »ich mag meine Haare.«
    »Nur ein bißchen, sie sind unten so zippelig.«
    Zögernd willigte ich ein, und Sabine schnitt mit geübten Händen ein paar Zentimeter ab. Sah wirklich besser aus.
    Dann schminkte sie mich.
    »Woher kannst du das alles?«
    »Ich hab Kosmetikerin gelernt. Fand ich aber langweilig.
    Jetzt mach ich eine Ausbildung zur Maskenbildnerin, Spezialeffekte und so. Das Geld verdiene ich mir in der Bank.«
    Ein langer, dünner Typ mit Freddy-Mercury-Haarschnitt und psychedelisch gemustertem Hemd kassierte Eintritt am Halleneingang. Nervenzerfetzender Techno hämmerte aus den Boxen, eine wogende und zuckende Menschenmasse füllte den Raum.
    »Sind die alle auf Drogen?« brüllte ich Sabine und Kathrin zu. Ich hatte gelesen, daß auf Techno-Parties Aufputschmittel und Designerdrogen angesagt waren.
    »Keine Ahnung. Wir nehmen nichts während der Woche. Nur manchmal am Wochenende, wenn zwei, drei Feten hintereinander sind.«
    Kathrin stürzte sich sofort auf die Tanzfläche, sie schien das Gestampfe als eine weitere sportliche Disziplin zu betrachten. Sabine und ich kämpften uns durchs Gewühl, bis wir einen Platz am Tresen ergattert hatten.
    Sabine bestellte zwei Wodka-Tonic.
    Die Musik wummerte in meinen Eingeweiden und meinen Ohren, ich konnte mir nicht vorstellen, wie man so einen Abend ohne Gehörschaden überstehen sollte. Am liebsten wäre ich sofort wieder gegangen.
    Sabine prostete mir zu. »Lebe wild und gefährlich! Auf deine Freiheit!«
    Auf welche Freiheit? Ich wollte nicht frei sein, ich wollte geborgen sein. Ich wollte nicht alle paar Tage auf einem anderen Sofa nächtigen und auf Parties gehen, für die ich zwanzig Jahre zu alt war. Ich wollte den vertrauten Körper meines Mannes umarmen und die schlafwarmen Bäckchen meiner Kinder küssen, die morgens in unser Bett gekrochen kamen. Ich wollte nicht wild und gefährlich leben, sondern gemütlich und in Sicherheit. Ich wollte nach Hause.

    Sabine spürte, daß ich mich hier nicht wohl fühlte. Sie zog mich auf die Tanzfläche. Es war, als hingen Gewichte an mir, mein Körper schien nicht in der Lage zu sein, auf den Rhythmus der Musik zu reagieren. Wie tanzte man zu diesem Höllenlärm? Unbeholfen bewegte ich mich hin und her, fühlte mich als Fremdkörper in dieser menschlichen Ursuppe, in der alle einzeln waren und doch zusammengehörten. Nur ich gehörte nicht dazu.
    Nach einer Weile bekam die monotone Musik eine hypnotische Wirkung auf mich. Die Raver verwandelten sich in afrikanische Ureinwohner,

Weitere Kostenlose Bücher