Am Anfang war der Seitensprung
Verhältnisse eher bescheiden ausgefallen war, und eine goldene Krawattennadel von meinem Vater mit einem Brilli drin. Wenigstens die mußte doch was wert sein! Halt, das silberne Besteck, das ich von Tante Elisabeth zur Taufe bekommen hatte, mußte auch mit.
Und die drei Jugendstilgläser, die ich für ein Schweinegeld bei einem Antiquitätenhändler in Wien erstanden hatte. Eigentlich sollten sie ein Geschenk zu unserem siebten Hochzeitstag sein, aber Friedrich hatte an diesem Tag seine Brieftasche im Hotel vergessen, und so bezahlte ich. Das Geld hatte er mir nie wiedergegeben.
Ich raffte meine Beute zusammen und verließ das Haus, das in einem erstaunlich sauberen Zustand war.
»Wir haben jetzt eine Putzfrau«, prahlte Jonas bei seinem nächsten Besuch.
Klar, dafür war Geld da. Und ich mußte meine letzten Erinnerungen an bessere Zeiten verkloppen, um über die Runden zu kommen. Ich sollte mich bei Friedrich um die Stelle bewerben, dachte ich ärgerlich. Dann würde ich das gleiche machen wie früher, nur daß ich jetzt dafür bezahlt würde.
Ich trug das Zeug zu einem Händler, der nach langem Hin und Her zweitausenddreihundert Mark rausrückte.
Sicher war es fast doppelt soviel wert, aber das würde ich nirgendwo bekommen. Egal, ich würde die nächsten Wochen überleben, ohne noch mehr Schulden machen zu müssen.
Es war Sonntag. Friedrich hatte auf einem freien Tag bestanden und die Kinder bei mir abgeliefert – natürlich schon um halb neun, um mich zu ärgern. Nun nervten die beiden rum, weil der versprochene Zirkus erst nachmittags stattfand.
Lucy hörte Rilkes Platten durch und maulte, weil nichts dabei war, das ihrem Geschmack entsprach. Klar, mit »Tic Tac Toe« konnte man Rilke meilenweit jagen, während Lucy Lenny Kravitz zum Einschlafen fand.
Jonas hing vor der Glotze und stritt mit Hartmann, der keine Lust auf »Käptn Blaubär« oder anderen Kinderkram hatte.
»Ich will aber was Lustiges sehen«, schrie Jonas.
»Dann schau in den Spiegel«, empfahl ihm Hartmann.
»Du bist kein Hartmann, sondern ein Blödmann«, kreischte Jonas und feuerte die Fernbedienung in den Müll.
Ich war genervt, weil ich fürchtete, die Kinder könnten Rilke nerven. Und Rilke war genervt, weil er unter die Dusche wollte und das Bad seit einer Stunde von Doreen, Nickis Schauspieler-Flamme, blockiert war.
Endlich öffnete sich die Tür und Doreen schwebte heraus. Neugierig starrte ich sie an, weil ich sie bisher noch nicht gesehen hatte. Heute nacht hatte sie das erste Mal hier geschlafen.
Sie war – natürlich – superschlank, hatte einen lasziven Schmollmund und dunkle Ponyfransen, die ihr dekorativ über die Augen hingen. Angeblich spielte sie eine tragende Rolle in einer Vorabendserie, ich wußte aber nicht, in welcher. Verwirrt sah Doreen in die Runde; offensichtlich gelang es ihr nicht, die Anwesenden zu sortieren. Endlich gab sie sich einen Ruck und kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu.
»Hallo, ich bin Doreen, Sie sind sicher Nickis Mutter.«
Ich schluckte kurz.
»Nein, bin ich nicht, auch wenn ich anscheinend heute besonders alt aussehe.«
»Ach?« Sie machte ein rundes Mündchen vor Erstaunen.
Nicki verdrehte die Augen, und Rilke tat so, als hätte er nichts gehört.
Jonas kam mit schokoladeverschmiertem Gesicht ins Zimmer; Hartmann hatte ihn mit einem Glas Nutella bestochen, damit er endlich in Ruhe fernsehen konnte.
»Bist du auch ’ne Freundin von Rilke?« wollte er von Doreen wissen. Er fand wohl, sie würde altersmäßig besser zu ihm passen.
»Das ist übrigens mein Sohn«, klärte ich Doreen auf, »und das meine Tochter.«
Lucy starrte Doreen mit verklärtem Blick an.
»Du bist doch … du bist die Julie aus ›Liebe verboten‹, hab ich recht?«
Doreen nickte geschmeichelt.
»Oh, Wahnsinn, das sehe ich jeden Tag!«
Na, prima, damit war ja dann klar, womit meine Tochter ihre Freizeit verbrachte, anstatt für die Schule zu büffeln.
Doreen und Lucy unterhielten sich schnatternd über den Fortgang der Serie; Lucy war natürlich entzückt, aus erster Hand zu erfahren, wie es weitergehen würde.
Dann sah sich Doreen, immer noch verwirrt, um.
»Wohnt ihr alle hier?«
Bevor jemand anfangen konnte, ihr die Zusammenhänge zu erklären, sprang Rilke auf.
»Ich hab eine Verabredung«, murmelte er und rannte aus dem Zimmer.
»Wir wollten doch in den Zirkus gehen«, rief Jonas ihm enttäuscht nach.
»Ich hab keinen Bock auf Family life.«
Rilke riß seine Jacke vom
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