Am Anfang war der Seitensprung
etwas vorbereitet, das ihn an die Zeit dort erinnern soll.«
Sie machte ein Zeichen Richtung Restaurant. Aus der gleichen Tür, aus der vorhin die Kellner gehuscht waren, um uns das Hochzeitsmahl zu servieren, schritten nun fünf Schwarze in afrikanischen Kostümen, von denen jeder eine Buschtrommel hielt.
Sie liefen im Gänsemarsch bis zur offenen Seite des Us und stellten sich dort auf. Dann entfesselten sie ein mitreißendes Trommelgewitter, das zwar in diesem deutschen Gartenlokal reichlich deplaziert war, seine Wirkung aber dennoch nicht verfehlte.
Die Leute starrten fasziniert auf die Musiker, die virtuos von einem Rhythmus in den nächsten wechselten, einander zuspielten, sich voneinander entfernten, letztlich aber immer zurückfanden zu dem Rhythmus, den ihnen ihr Anführer vorgab.
Queen Mum war unbemerkt aufgestanden und ins Haus gegangen. Als der Applaus für das erste Stück verklungen war, stieß einer der Männer einen heiseren Ruf aus, die anderen begannen erneut, ihre Trommeln zu schlagen, und mein Blick fiel auf meine Mutter, die, nun ebenfalls kostümiert, aus dem Restaurant heraustänzelte.
Mir schoß das Blut ins Gesicht vor Verlegenheit, am liebsten hätte ich mich verkrochen, mir das Tischtuch über den Kopf gezogen, mich in Luft ausgelöst. Die Kellner hatten grinsend Aufstellung bezogen und betrachteten amüsiert das Spektakel.
Queen Mum war bei den Trommlern angekommen. Sie stampfte im Takt mit ihren nackten Füßen auf den Boden, kreiste mit dem Becken und schwang die Arme.
Ihre Bewegungen waren durchaus nicht planlos, sondern wirkten streng durchchoreographiert. Wo hatte sie das bloß gelernt? Sicher hatte sie wieder einen Workshop besucht.
Sie trug eine Art Bastrock über schwarzen Leggings und ein gewebtes Oberteil, unter dem ihr gewaltiger Busen auf- und abwogte. Die Trommler feuerten sie mit Rufen an, ihre Bewegungen wurden schneller und schneller.
Mit blitzenden Augen und entrücktem Lächeln auf dem Gesicht tanzte meine Mutter in ihre zweite Ehe hinein, und hätte ich mich nicht so geschämt, wäre ich stolz auf ihre erstaunliche Kondition gewesen. Aber ich fand es einfach nur zum Sterben peinlich. Nicht so die anderen Anwesenden, zumindest ließen sie es sich nicht anmerken.
Die Freaks sprangen entfesselt von ihren Stühlen, Queen Mums Freundinnen schienen ebenfalls entzückt, sogar die Kellner applaudierten. Christine und Annette klatschten höflich, Gottfried, Annettes steifem Banker-Gatten, stand der Mund offen. Die beiden wohlerzogenen Monsterkinder glotzten, Jonas sprang begeistert auf und ab und schrie »Zugabe!«, Lucy kaute Kaugummi und verdrehte die Augen.
Martin war aufgestanden und zu seiner Frau gegangen, die ihn außer Atem und mit glühenden Wangen erwartete.
Es war unmöglich zu erkennen, was in ihm vorging.
Er nahm Queen Mum in den Arm, hielt sie einen Moment umschlungen, dann löste er sich von ihr.
»Ein wunderbares Geschenk, liebste Edda, ich danke dir von Herzen«, sagte er mit bewegter Stimme, und es klang ehrlich.
»Übrigens«, fügte er dann trocken hinzu, »ich weiß nicht, ob es Auswirkungen haben wird, aber das war ein Fruchtbarkeitstanz!«
Die Festgäste brachen in fröhliches Gelächter aus, ich beobachtete, wie meine Mutter einen Moment um Fassung rang.
Den Rest des Nachmittag tröstete ich mich mit Prosecco und lauschte den Ausführungen meines erleuchteten Tischherrn zur Rechten. Nachdem er mir die Heilwirkung von Rosenquarz in den Schuhen und die Erfolge des Handauflegens nahegebracht hatte, schwärmte er mir vor, was Queen Mum für eine tolle Person sei.
»So wach und interessiert, ganz untypisch für Frauen in dem Alter. Ich wünschte«
»… deine Mutter wäre auch so und würde nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und jammern«, vollendete ich seinen Satz.
»Woher weißt du das?« fragte er verblüfft.
»Telepathie«, erklärte ich.
»Ach ja, logisch. Ich wußte nicht, daß du das drauf hast«, meinte er so selbstverständlich, als sprächen wir übers Fahrradfahren oder eine ähnlich verbreitete Fähigkeit.
Verblüfft sah ich ihn an. Glaubte der Spinner wirklich, ich könnte Gedanken lesen?
»Weißt du, deine Mutter hat wenige Ängste«, fuhr er fort.
»Vielleicht hat sie kapiert, daß das Leben zu kurz ist, um sich all das nicht zu trauen, was man eigentlich gerne tun möchte.«
Zwanzig
Ich war schon wieder pleite. Die zwei seidenen Morgenmäntel im Partnerlook, mein Hochzeitsgeschenk für Martin und Queen Mum,
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