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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Kleiderhaken. Jonas fing an zu heulen. Mein Mutterinstinkt meldete sich.
    »Hey, du hast es versprochen«, rief ich Rilke zu.
    »Laß mich in Ruhe«, fuhr er mich an, und mit einem Rums fiel die Wohnungstür hinter ihm ins Schloß.

    »Scheißkerl«, preßte ich zwischen den Zähnen hervor.
    Das erste Mal, seit wir uns kannten, war ich richtig sauer auf ihn.

    »Undnunsindsiemannundfrauherzhchenglückwunsch!«

    Es war tatsächlich der Standesbeamte, der Friedrich und mich getraut hatte, der nun auch Martin und meine Mutter zu einem Ehepaar machte.
    Friedrich warf mir einen Blick zu, ich lächelte kurz zurück. Ganz konnte ich mich einer wehmütigen Anwandlung nicht entziehen. Ich erinnerte mich, wie ich damals auf dem Platz gesessen hatte, auf dem jetzt Queen Mum saß, gebeutelt von der Morgenübelkeit, aufgeregt und verliebt. Damals wie heute war die Trauungszeremonie bar jeder Romantik, aber immerhin hatte der Tag eine ziemliche Bedeutung für mein weiteres Leben gehabt.
    »Bis daß der Tod euch scheidet.«
    Schaudernd hatte ich auf diesen Satz gewartet, und dann hatte ihn der Standesbeamte gar nicht gesagt. Vielleicht kam er nur in amerikanischen Filmen vor, oder er war aus der Mode gekommen, weil die Erfahrung gezeigt hatte, daß die meisten Paare es sowieso nicht so lange schafften.
    Angesichts eines Hochzeitspaares um die sechzig könnte man über die Wiederaufnahme des Satzes in die Ansprache nachdenken; die beiden hatten bedeutend bessere Chancen, durch den Tod geschieden zu werden als durch einen Familienrichter. Vielleicht sollte man überhaupt nur noch Leute in diesem Alter miteinander verheiraten, dachte ich angesichts meiner eigenen Ehemisere.

    Queen Mum sah phantastisch aus. Sie trug ein elegantes, helles Kostüm und einen Hut, statt in Gesundheitsschuhen steckten ihre Füße in modischen Pumps. Ihre Augen war zart geschminkt, ihr immer noch sinnlicher Mund mit hellrotem Lippenstift betont. Sie wirkte um Jahre verjüngt und himmelte ihren neuen Ehemann an wie ein Schulmädchen.
    Martin trug einen sommerlichen Anzug mit Fliege und Einstecktuch, sein kurzgeschnittenes, graues Haar und der sorgsam gestutzte Schnauzbart gaben ihm etwas Dandyhaftes.
    Ein schönes Paar, dachte ich und sehnte mich nach Rilke. Wir hatten uns nach einem heftigen Streit wieder versöhnt, und ich hatte kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, ihn heute mitzubringen. Aber dann war ich doch nicht mutig genug gewesen, ihn zu fragen; vermutlich hätte er sich ohnehin geweigert. Dabei wäre es sicher spaßig gewesen, meine Mutter und ihre
    Hochzeitsgesellschaft ein bißchen zu schockieren.
    Außer mir, Friedrich und den Kindern hatte Queen Mum ihre älteste Freundin Elisabeth und einige ihrer ehemaligen Mitschülerinnen eingeladen sowie ein paar Freaks aller Altersstufen, die sie aus ihren Selbstfindungskursen kannte.
    Von Martins Seite waren zwei Töchter angereist; die eine hatte ihren gräßlich steifen Banker-Ehemann und zwei unnatürlich wohlerzogene Kinder mitgebracht, die andere war frisch geschieden und kinderlos. Außerdem gehörten zwei wie Offiziere aussehende ältere Herren dazu, auf die Queen Mums Mitschülerinnen begehrliche Blicke warfen.
    Die soeben getrauten Eheleute schritten zur Unterschrift.
    Die Trauzeugen, Tante Elisabeth und einer von Martins Freunden, folgten ihnen.
    »Nun bist du also eine von Randow«, bemerkte Elisabeth ehrfürchtig. Richtig, Martin war ein von und zu; womöglich war meine Mutter jetzt sogar Freifrau oder Gräfin.
    Die Zeremonie war beendet, eine merkwürdig künstliche Euphorie machte sich breit, alle begannen, sich gegenseitig abzuküssen und zu beglückwünschen, obwohl sie sich zum größten Teil gar nicht kannten. Der Standesbeamte wünschte alles Gute und komplimentierte uns hinaus; draußen wartete schon die nächste Hochzeitsgesellschaft.
    »Weißt du noch?« Tante Elisabeth lächelte mir zu, als wir zum Ausgang drängten. »Du hast bezaubernd ausgesehen damals, genau wie Edda heute. Heiraten scheint den meisten Frauen doch ganz gut zu bekommen.
    Manchmal tut’s mir fast ein bißchen leid, daß ich mich immer gedrückt habe.«
    »Ach, weißt du, Tante Elisabeth, es hat dir sicher auch ’ne Menge Ärger erspart«, tröstete ich sie.
    Ihr Blick wurde eindringlich. »Du und Friedrich, ihr werdet euch doch zusammenraufen? Ihr müßt! Schon der Kinder wegen.«
    Ich nickte unbestimmt und gab keine Antwort. Ich mochte Tante Elisabeth, aber ich hatte keine Lust, meine Eheprobleme mit ihr zu

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