Am Anfang war der Tod
Bewusstsein wiedererlangt.
Dennoch wollte Jake nicht von der Seite des Mannes weichen. Er hatte ein paar Gespräche mit dem Arzt geführt, der ihm Bordons Verletzungen detailliert beschrieben hatte. Leber, Bauchspeicheldrüse, Magen und Dünndarm waren in Mitleidenschaft gezogen. Bordon hatte sehr viel Blut verloren, und dazu war es zu schweren inneren Blutungen gekommen. Obwohl die Ärzte alles Menschenmögliche unternommen hatten, blieb ihm bestenfalls eine Chance von zehn Prozent, die nächsten achtundvierzig Stunden zu überleben. Wann er aufwachte – oder ob überhaupt –, konnten die Mediziner ebenfalls nicht mit Sicherheit sagen.
Jake blieb also nur eine vage Hoffnung.
Die anderen Gefangenen waren während des Tages intensiv verhört worden. Natürlich stritten alle die Tat ab. Keiner hatte Bordon etwas antun wollen. Obwohl sie sich alle einer Leibesvisitation unterziehen mussten und die Cafeteria gründlich durchsucht worden war, konnte die Tatwaffe nicht gefunden werden.
Jake hatte die Wartezeit dazu genutzt, sich im Gefängnis umzusehen und mit den Kollegen von Miami-Dade in Verbindung zu setzen. Die Nachtschicht war vorbei, und Marty hatte seinen Dienst angetreten.
„Sie haben Bordon also praktisch abgestochen wie ein Schwein, und jetzt ist er auf der Kippe?“ hatte Marty nachgehakt.
„Es steht in der Tat nicht gut um ihn.“
„Ich habe übrigens einiges herausbekommen“, erzählte Marty. Skip Conrad hatte Fingerabdrücke von Jake, Marty, Nick, Ashley und einigen anderen gefunden, die aus unterschiedlichen Gründen auf dem Boot gewesen waren. Skip hatte auch darauf hingewiesen, dass an einigen Stellen überhaupt keine Abdrücke gewesen waren, was den Schluss zuließ, dass jemand alle verräterischen Spuren sorgfältig beseitigt hatte.
Obwohl Marty sich über Jakes Anfrage nach dem Flugzeugunglück, bei dem John Mast ums Leben gekommen war, wunderte, hatte er die entsprechenden Informationen innerhalb einer Stunde eingeholt und ihn umgehend angerufen. Die Protokolle kamen aus Haiti, wo die Maschine abgestürzt war, und sie besagten, dass es keine Überlebenden gegeben hatte. Was allerdings nur eine Vermutung war. Denn lediglich achtzig der insgesamt achtundachtzig Passagiere und Besatzungsmitglieder waren aus dem Meer geborgen worden. John Masts Leichnam hatte nicht zu denen gehört, die eindeutig identifiziert worden waren.
„Er hat überlebt und befindet sich irgendwo da draußen, Marty“, meinte Jake. „Ich weiß es.“
„Vielleicht, Jake, vielleicht. Willst du im Gefängnis bleiben, bis Bordon stirbt?“
„Ich warte auf jeden Fall, bis etwas geschieht – so oder so.“
„Ich verstehe. Inzwischen werde ich mich um die Immobilien kümmern. Falls du mich brauchst, ruf mich an.“
„Mach ich.“
Erst nachdem das Gespräch beendet war, fiel Jake ein, dass er vergessen hatte, Marty daran zu erinnern, Franklin und die anderen auf dem Laufenden zu halten. Deshalb rief er selbst bei dem FBI-Agenten an, der sich sofort um John Mast kümmern wollte. Anschließend sprach er mit Blake, der einen Bericht schreiben und an alle, die es anging, verteilen wollte. Ehe Jake in Bordons Zimmer zurückging, rief er noch Ashley auf ihrem Handy an. Sie nahm nicht ab. Dann wählte er die Nummer der Bar, und Katie meldete sich. Sie teilte ihm mit, dass Nick, Sharon und Ashley nicht zu Hause waren. „Sie feiert heute Abend ihr Beförderung“, erklärte sie.
„Ach ja, richtig.“
„Ich sage ihr, dass Sie angerufen haben.“
„Bemühen Sie sich nicht. Ich versuche es später nochmal.“
Als er Bordons Zimmer betrat, stand ein Priester neben dem Bett und betete. Von dem Geistlichen hatte Jake erfahren, dass Bordon tatsächlich regelmäßig in die Kirche gegangen war.
„Pater, hat er Ihnen erzählt …“
„Nein. Er hat nicht viel vom Beichten gehalten. Ich meine, ich könnte nicht behaupten, dass er überhaupt etwas gesagt hat. Aber von irgendwelchen Verbrechen hat er mir bestimmt nichts erzählt.“
„Danke.“
„Beten Sie für ihn, Detective. Das tue ich auch gerade. In den letzten Monaten hat er nämlich wirklich seinen Weg zu Gott gefunden.“
Jake nickte und begann zu beten. Seine Gebete unterschieden sich allerdings erheblich von denen des Priesters. Er betete nämlich darum, dass Peter Bordon lange genug leben möge, um ihm ein paar Antworten zu geben und der Gerechtigkeit Genüge zu tun.
Um sieben hielt Ashley es nicht länger aus. Sie ließ Arne, Gwyn und die anderen am Tisch
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