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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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hat, bis er eine neue Stellung findet. Ich habe das vorgeschlagen, aber er ist zu stolz, darauf einzugehen. Aber wenn er einen langfristigen Vertrag bekommt und als Leiter der Abteilung eingesetzt wird, könnten wir sofort heiraten und würden dann in Zukunft hier leben.»
    «Aber das geht nur durch die Wahl der Kuratoren.»
    «Haben die schon jemals einen deiner Vorschläge abgelehnt?»
    «Nein.»
    «Bitte, Dad!»
    Sie sah ihn flehend wie ein Kind an. Und was wusste er schon, was gegen Hendryx sprach? Dennoch ging es ihm gegen den Strich, den Einfluss seiner Stellung für rein familiäre Zwecke geltend zu machen. Andererseits war es ja nicht Betty allein. Dean Hanbury hatte ihn auch schon gedrängt, die Beförderung anzuregen; es würde also der Abteilung und dem College zugute kommen. «Na schön», sagte er zögernd, «ich spreche mal mit Dean Hanbury.»
    Sie wusste, dass sie gewonnen hatte. «Oh, danke, Dad.» Sie küsste ihn wiederum. «Wann gehst du zu ihr?»
    Er blätterte in seinem Taschenkalender. «Warte mal. Morgen ist Freitag. Da habe ich vormittags nichts Festes vor.» Er machte sich eine Notiz. «Freitag, der 13. Bist du abergläubisch?» Er lächelte sie an. «Ich gehe morgen Vormittag zu ihr.»
    Sie warf ihm eine Kusshand zu und rannte die Treppe hinauf. «Ich muss mich umziehen.»
    «Ich dachte, du bliebst heute Abend hier …»
    «Aber ich muss doch John die Freudenbotschaft überbringen.»

10
    Sie konnten sich nicht bei Abner Selzer treffen, weil sein Zimmergefährte Grippe hatte. Yance Allworth und Mike O’Brien wohnten beide zu Hause. Daher hatten sie verabredet, in Judy Ballentines Bude zusammenzukommen, obwohl das höllisch weit fort war, nämlich im Westend, genau am anderen Ende der Stadt. Wenigstens würden sie dort nicht gestört werden. Abgesehen davon: da Judy mit Ekko zusammenlebte, waren zwei der fünf schon dort. Sie wohnte im dritten Stock eines alten Mietshauses, das die Hyänen von Häusermaklern mit gekachelten Duschen und schrankgroßen Küchen ausstaffiert und mit ein paar Möbeln voll gestellt hatten, um von Studenten, Krankenschwestern und jungen Ärzten am Massachusetts General Hospital, die anderswo nichts hatten finden können, Wuchermieten zu erpressen.
    Ekko hatte den einzigen Stuhl in Beschlag belegt. Es war ein Ohrensessel, dessen Bezug nicht nur verblichen, sondern auch voller Brandflecken war, die von den Zigaretten achtloser, wenn nicht gar vandalistischer früherer Bewohner stammten, die über die hohen Mieten wütend waren. «Stecken Sie doch einfach ein paar Spitzendeckchen darüber, dann sieht er wieder wie neu aus», hatte der Wohnungsmakler gesagt.
    Judy, obwohl schon im Senior-Jahrgang, sah wie ein kleines Mädchen aus. Sie war winzig, und ihr Gesicht hatte durch den Rosenknospenmund und die großen, dunklen, unschuldigen Augen einen kindlichen Ausdruck. Sie saß auf dem Fußboden, den Kopf an Ekkos Knie gelehnt, und schnippte ihre Zigarettenasche in die Richtung des Aschenbechers, der auch auf der Erde stand. Mit der anderen Hand massierte sie unter dem Hosenbein Ekkos Wade.
    Auf dem schäbigen Sofa mit den durchgedrückten Federn saß Mike O’Brien, der halbtags in einer Bank arbeitete und darum einen Anzug, ein weißes Hemd und zu allem Überfluss auch noch einen Schlips trug; seine kleinen, dicken Finger ruhten verschlungen auf dem Schoß.
    Yance Allworth lag auf dem Fußboden, sein hübscher Afro-Kopf ruhte auf einem Kissen, das er vom Sofa gezerrt hatte. Er trug gefranste dunkelrote Lederhosen und ein rosa Seidenhemd, das leuchtend von seiner sehr schwarzen Haut abstach. Während Abner Selzer, bärtig, mit bis auf die Schultern wallender Mähne, seine Unterhaltung mit Dean Hanbury wiedergab, hielt Yance die Augen geschlossen und schien zu schlafen.
    «Ich hab die Verabredung für heute auf halb drei gelegt, weil –» er brach ab. «Mensch, Judy, musst du so an ihm rumfummeln, wenn wir hier eine Zusammenkunft haben?»
    «Du kannst mich mal», sagte sie liebenswürdig.
    «Mach weiter.» Ekko tätschelte ihren Kopf, als sei sie ein Hund.
    «– weil Millie Hanbury es gern um die Zeit haben wollte», beendete er seinen Satz.
    «Millie Hanbury kann mich mal», sagte Allworth durch halb geschlossene Lippen.
    «Vielleicht hätte ich da gar nichts gegen einzuwenden», sagte Selzer. «Die ist nicht ohne.»
    «Du hättest bestimmt was dagegen.» Judy sah ihn an. «Sie hat’s mit Damen.»
    «Woher weißt du das?», fragte O’Brien interessiert.
    «Das liegt

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