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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ganz Boston gehört, in erster Linie Politiker und erst in zweiter, sehr schwacher Linie Anwalt. Rogers war groß, erstaunlich gut aussehend und einer der Jüngsten, die jemals diesen Posten innegehabt hatten. Die Parteibonzen sagten ihm eine große Zukunft voraus: mit Gewissheit würde er Attorney General des Staates werden, vielleicht sogar noch höher steigen. Obwohl er irisch-katholischer Abstammung war, sah er nicht so aus; und sein Name – Vor- und Nachname – war nicht so typisch irisch, dass es den Angehörigen anderer Volksgruppen schwer gefallen wäre, ihn zu akzeptieren.
    Kurz nach Beendigung des Jurastudiums – er hatte in Harvard studiert, nicht am katholischen Boston College – sagte ihm sein Schwiegervater, der in der Politik war, er hätte sich bei den Kollegen umgehört, und sie wären bereit, ihn bei der Wahl für ein politisches Amt zu unterstützen. «Wenn die Kollegen dich unterstützen, Matt, bist du praktisch schon in der Legislative des Staates.»
    «Ich hatte mich eigentlich beim Schulausschuss bewerben wollen», sagte Matthew Rogers.
    «Bloß nicht, Matt. Was verdienst du denn da? Du musst an Kathleen und die Mädchen denken. Und wenn du in den Schulausschuss willst, musst du dich in der ganzen Stadt zum Kandidaten aufstellen lassen.»
    «Aber bei der Legislative bin ich einer unter zweihundert, und beim Schulausschuss bin ich einer von fünf. Über das Gehalt mache ich mir keine Sorgen. Bei den Millionen, über die der Schulausschuss jährlich verfügt, müsste ich genug Aufträge als Anwalt an Land ziehen können, um mit dem gleichzuziehen, was ich bei der staatlichen Legislative verdienen würde.»
    Matthew Rogers firmierte als Familienvater, als engagierter Vater von Kindern, die die öffentlichen Schulen besuchten. Alle Wahlplakate und Handzettel zeigten ihn sitzend, flankiert von seiner schönen Frau, während die beiden niedlichen kleinen Töchter zu ihren Füßen saßen. Er gewann spielend.
    Beim Schulausschuss verschrieb er sich den Belangen der Lehrer. Sein Schwiegervater argumentierte: «Warum setzt du dich für eine Gehaltserhöhung der Lehrer ein? Das bedeutet doch nur Steuererhöhung, Matt, und dafür dankt dir keiner. Lehrer sind keine Polizisten oder Feuerwehrmänner. Sie sind scheue Kaninchen und keine Kämpfer. Bei der nächsten Wahl reißen sie sich nicht für dich die Beine aus. Ja, sie werden dich wählen, aber die Duckmäuser bekommst du nie dazu, für dich Klinken zu putzen.»
    «Aber sie haben bessere Kontakte zu den Medien», wandte Matthew Rogers ein.
    Die Gehaltserhöhung endete in einem Kompromiss, aber er galt nun als der einzige Liberale im Ausschuss, und wenn die Reporter oder Fernsehkommentatoren über eine Sitzung des Schulausschusses berichteten, war er gewöhnlich derjenige, der interviewt wurde.
    Nach zwei Perioden beim Schulausschuss hatte er sich als District Attorney bei der County zur Wahl gestellt, wiederum die Rolle des Familienvaters in den Vordergrund seiner Wahlkampagne stellend, mit dem Slogan: «Wählt Matt Rogers, und macht Suffolk County zu einer Gegend, in der ihr eure Kinder in Sicherheit großziehen könnt.» Diesmal zeigten die Wahlplakate ihn neben seiner etwas gesetzteren Frau, die beiden älteren Töchter, nun hübsche junge Damen, standen rechts und links von den Eltern, eine dritte Tochter saß vor ihnen auf der Erde, und die vierte auf dem Schoß der Mutter. Wiederum gewann er spielend.
    Er hatte sein Amt unmittelbar vor Beginn der Studentenunruhen angetreten. Als es im Hollings College Ärger gab, ergriff er die Gelegenheit, seine Führungsqualitäten zu demonstrieren – gegen den Rat seines Stellvertreters, dem Senior Assistant District Attorney Bradford Ames.
    «Lass das, Matt», sagte Ames. «Das sind keine Gangster, es sind College-Studenten aus guten Familien, von denen einige großen politischen Einfluss haben. Und wenn du sie vor Gericht bringst, wirst du feststellen, dass dich die College-Leitung nicht unterstützt. Halte dich aus der Schusslinie, und lass die Polizei das machen, sonst musst du es bloß ausbaden.»
    Rogers hatte ihn verständnislos angestarrt. «Sie haben sich in einem der Gebäude widerrechtlich festgesetzt, oder? Sie haben Häuser demoliert. Meinst du, ich soll tatenlos zusehen, wenn Privateigentum besetzt wird? Es geht doch um Privateigentum, oder?»
    Bradford Ames war über fünfzig und ein ganzes Stück älter als sein Chef. Er stammte aus einer alten, reichen Bostoner Familie und hatte ohne

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