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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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bäte, würde er nicht zu Ihnen kommen. Und wenn ich mehr Nachdruck dahinter setzte, könnte ich Ärger bekommen. Dies ist keine Großstadt, Bill. Bei uns kennt jeder jeden. Wir machen das hier anders. Wissen Sie was, warum fahren Sie nicht morgen Nachmittag zu uns herunter und essen bei uns zu Abend? Es gibt Schinken und Bohnen und Schwarzbrot. Sie können sich da auf Gladys verlassen. Danach machen wir einen Besuch beim Rabbi. Ich garantiere Ihnen, dass Sie nicht die geringste Schwierigkeit mit ihm haben werden.»
     
    Am nächsten Abend tauchten Lanigan und Schroeder bei den Smalls auf. Lanigan stellte den Sergeant vor und sagte: «Wie wär’s, wenn Sie beide nochmal von vorne beginnen?»
    Der Rabbi grinste. «Mit Vergnügen.» Dann führte er sie ins Wohnzimmer.
    Der Sergeant sagte: «Gern. Verstehen Sie, Rabbi, ich wollte Sie nicht an Ihrem Feiertag stören, aber bei uns hat Mord nun mal immer den Vorrang.»
    «Oh, bei uns auch», erklärte der Rabbi, «aber ich kann Ihnen bestimmt nichts erzählen, was Ihnen weiterhilft. Professor Hendryx war lebendig, als ich ihn verließ.»
    «Und um welche Zeit war das?»
    «Kurz nach zwei. Spätestens zehn nach zwei.»
    «War er normalerweise um die Zeit im Büro?»
    «Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe eine Vorlesung, die um zwei Uhr endet, danach gehe ich kurz ins Büro, um meine Bücher abzuladen und meinen Mantel zu holen. Manchmal war er dann dort. Soviel ich weiß, kommt seine Putzfrau immer freitags, da hat er sich gelegentlich ins Büro geflüchtet – er wohnt ja auf der anderen Straßenseite, wenn Sie sich vielleicht erinnern.»
    «Ja, das wissen wir, Rabbi.»
    «Aber gestern», fuhr der Rabbi fort, «hat er was davon erwähnt, dass Dean Hanbury ihn angerufen hätte, er sollte sich im Hintergrund bereit halten. Sie war mit einer Gruppe von Studenten verabredet und wollte ihn in der Nähe haben, falls sie aufsässig würden.»
    «Aha!», rief Schroeder. «Sehen Sie, Sie hatten doch etwas Wichtiges zu erzählen.»
    «So?»
    «Aber ja. In Ihrer Aussage hat Dean Hanbury nichts davon erwähnt, Hendryx angerufen und um Hilfe gebeten zu haben.»
    «Und wieso ist das wichtig?», fragte Lanigan interessiert.
    «Na, nehmen wir an, sie hat was mit der Sache zu tun.» Er blickte von einem zum anderen. Der Rabbi schürzte zweifelnd die Lippen; Lanigan lächelte. «Ich meine –» Damit gab Schroeder auf und lachte. «Tut mir Leid, Rabbi, ich fürchte, ich war doch noch ein bisschen beleidigt, dass Sie mich gestern Abend nicht sprechen wollten. Gut. Als Sie am Freitag gegangen sind, haben Sie da irgendjemand, irgendwen noch im Haus gesehen?»
    «Die Tür vom Büro des Dean wurde gerade geschlossen, als ich durch den Flur kam. Obwohl ich sie selber nicht gesehen habe, nehme ich an, dass sie in ihrem Büro war. Einen Stock tiefer hab ich Professor Fine im Büro der englischen Abteilung gesehen; er sagte, er erwarte einen Anruf.»
    «Um welche Zeit sind Sie nach Hause gekommen, Rabbi?»
    «Ziemlich spät erst», gab er zu. «Etwa um halb vier.»
    Lanigan zog die Brauen hoch. «Hatten Sie eine Panne?»
    «Nein, ich hab unterwegs angehalten und Kaffee getrunken.»
    «Na, das hat doch sicher nicht lange gedauert.»
    «Es war so ein Drive-in, wo man im Wagen sitzen bleibt», erklärte der Rabbi. «Ich hab angefangen zu lesen und die Zeit vergessen.»
    Als sie den Rabbi verlassen hatten, fragte Schroeder: «Was halten Sie von dieser Geschichte Ihres Freundes?»
    «Sie kennen ihn nicht», sagte Lanigan. «Glauben Sie mir, das ist ganz typisch für ihn.»
    «Aber …»
    «Ach, Sergeant, es gibt keine Ermittlung ohne kleine Ungereimtheiten. Und die beste Methode, sich festzufahren, ist es, wenn man sich auf die konzentriert, statt auf die Hauptsache. Aber wem sage ich das? Sie wissen es besser als ich.»
    «Ja, schon, aber manchmal gibt einem das doch zu denken. Warum, zum Beispiel, hat mir die Dame Dean nichts von dem Anruf bei Hendryx und ihrer Bitte um Hilfe erzählt?»
    «Finden Sie das so schwer zu verstehen?», fragte Lanigan. «Sie hat es nicht gesagt, weil sie es vergessen hat; und sie hat es vergessen, weil sie es vergessen wollte; und sie wollte es vergessen, weil es sonst bedeuten würde, dass sie für seinen Tod verantwortlich war.»
    19
    Am Sonntagmorgen war es beim minjan meistens ziemlich voll. Der Morgengottesdienst fand anderthalb Stunden später statt als an Wochentagen, um neun statt um halb acht, und im Übrigen schloss sich um zehn Uhr das Treffen des

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