Am Dienstag sah der Rabbi rot
nicht.»
35
Es war Sergeant Schroeder anzumerken, dass er sehr zufrieden war. «Wir haben diesen Ekko festgenommen», berichtete er, kaum dass er Hendryx’ Wohnung betreten hatte.
«Gratuliere. Hat er geredet?», erkundigte sich Ames.
«Nein, aber das wird schon kommen.» Schroeder war zuversichtlich. «Wir lassen ihn eine Weile im eigenen Saft schmoren, nehmen dann den Deckel ab, und dann kocht alles über. Warten Sie’s ab.» Er verstummte, als draußen ein Streifenwagen der Polizei vorfuhr. «Da kommt Mrs. O’Rourke.»
Die Frau machte einen etwas verstörten Eindruck. Schroeder begann sehr brüsk: «Wir werden Ihnen einige Fragen stellen, Mrs. O’Rourke, und diesmal möchten wir die Wahrheit hören.»
«Überlassen Sie das bitte mir, Sergeant», griff Ames ein.
Die Frau war sichtlich erleichtert. «So, Mrs. O’Rourke», sagte er nun ganz freundlich, «ich möchte Sie bitten, etwas für uns zu tun. Können Sie die Wohnung für uns noch einmal genauso putzen, wie Sie es beim letzten Mal gemacht haben? Verstehen Sie?»
«Ja, Sir. Gleich?»
«Das wäre am allerbesten, Mrs. O’Rourke.»
«Ja, also meistens fange ich da an.» Sie folgten ihr in die kleine Küche. Sie gab vor, Geschirr vom Tisch zu nehmen und in das Spülbecken zu stellen. «Meinen Sie so?»
«Einen Moment, Mrs. O’Rourke», warf Ames ein. «Behalten Sie dazu immer den Mantel an?»
«Nein, den ziehe ich natürlich erst aus und hänge ihn in den Schrank.»
«Dann tun Sie das bitte jetzt auch. Und wie kommen Sie herein?»
«Ich klingle an der Tür, und Professor Hendryx macht auf.»
«Schön. Dann gehen Sie bitte raus, und wir fangen von vorn an.»
«Das ist wie ein – wie ein Theaterstück, nicht, Sir?», fragte die entzückte Mrs. O’Rourke.
«Ja, Mrs. O’Rourke», sagte Ames ganz ernst. Er und Schroeder sahen stumm zu, während sie vorgab, die Wohnung zu säubern.
«Wenn ich mit diesem Zimmer fertig bin», sagte sie, sich für ihre Rolle erwärmend, «kippe ich meistens den Papierkorb aus.»
«Lassen Sie sich nicht stören.»
«Aber er ist doch leer.»
«Lieber Himmel, Frau! Dann tun Sie so, als wäre er voll», stöhnte Schroeder.
Gehorsam nahm sie den Papierkorb auf und öffnete die Tür.
«Lassen Sie die Tür offen?», fragte Ames.
«Nein. Hier zieht’s zu oft, dann schlägt sie zu.»
«Dann machen Sie sie zu, und Professor Hendryx öffnet Ihnen, sobald Sie klopfen?»
«Nein, Sir, das würde ihn doch stören. Ich schiebe den Riegel vor.»
Ames ließ es sich vorführen. Sie sahen ihr nach, wie sie über den Flur zum Hintereingang ging und in einer schwungvollen Bewegung den Papierkorb scheinbar in einen großen Abfallbehälter leerte. Dann kam sie mit dem Papierkorb wieder zurück und trug ihn an seinen Platz.
«Ziehen Sie jetzt nicht den Riegel an der Tür zurück?»
«O nein, Sir, weil ich doch immer wieder raus muss, um die Zeitungen rauszutragen und den Mopp auszuschütteln.»
«Aha. Und was ist, wenn Professor Hendryx nicht hier ist?», fragte Ames. «Wenn er ins College gegangen ist?»
«Mach ich’s auch so. Es kommt nie jemand herein, und ich bin doch nur bei der Hintertür.»
«Und als Sie damals fertig waren und gehen wollten, haben Sie da dran gedacht, den Riegel zurückzuschieben?»
Ihre Hand flog an den Mund; sie starrte schuldbewusst in die strengen Gesichter der beiden Männer.
«Nun?» Ames’ Stimme war plötzlich hart.
«Ich kann mich nich erinnern, Sir», jammerte sie. Dann verteidigte sie sich ganz automatisch. «Aber was macht das denn aus? Der Professor ist doch immer den ganzen Tag mal hier und mal dort gewesen, und es war doch nur eben über die Straße. Und hier ist es gar nicht passiert; es ist doch drüben geschehen.» Ganz plötzlich legte sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
36
Die Geschichte über die Rolle, die der Rabbi bei der Freilassung des jungen Abner Selzer gespielt hatte, verbreitete sich rasch; die Selzers hatten keinen Anlass, sie zu vertuschen, ganz im Gegenteil. Die Reaktionen waren unterschiedlich.
«Ich bin gar nicht so sicher, dass der Rabbi da was Gutes getan hat. Haben die Studenten die Bombe gelegt oder nicht? Und wenn du mich fragst: Das Gefängnis ist genau der richtige Platz für sie.»
Andere freuten sich. «Unser Rabbi, also, Hut ab! Ich weiß nicht, wie er’s macht und was er überhaupt macht, aber für so was muss er einen sechsten Sinn haben. Erinnert ihr euch noch an die Sache mit Hirsh? Alle glaubten, er hätte Selbstmord
Weitere Kostenlose Bücher