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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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begangen, und es gab das Theater über die Beerdigung auf unserem Friedhof, und dann hat der Rabbi entdeckt, dass der Kerl ermordet worden ist, und damit war dann alles gut.»
    Einige versuchten die Rolle des Rabbi herunterzuspielen. «Willst du wissen, was ich meine? Ich meine, der Rabbi hat mit Selzer gesprochen, schön und gut, und er hat auch geraten, er soll ihn gegen Kaution rausholen. Das hätte ja jeder so gemacht. Und dann, als es geklappt hat, hat Selzer groß die Trommel gerührt, weil der Rabbi seiner Meinung nach ein wahres Gottesgeschenk für Barnard’s Crossing ist. Also bitte, ich sage nichts gegen unseren Rabbi, persönlich stehe ich ganz hinter ihm, na, fast ganz. Sagen wir es so: Wenn du die Gemeinde in Pro-Rabbi und Anti-Rabbi aufspalten wolltest, dann würd ich mich schon der Pro-Rabbi-Seite anschließen. Aber deswegen braucht man ja nicht gleich außer Rand und Band zu geraten. Was ist daran schon so großartig?»
    Als Paul Goodman von einem Freund darauf angesprochen wurde, grinste er und sagte geheimnisvoll: «Darum erlauben Sie vor Gericht keine Beweise, die auf Hörensagen beruhen.»
    «Meinst du, er hat nichts damit zu tun gehabt? Aber Selzer sagt doch –»
    «Das habe ich nicht behauptet. Mr. Selzer ist zu mir gekommen, um mich zu bitten, einen Antrag zu stellen. Das hatten wir sowieso vor, sobald dieser andere junge Mann von der Polizei festgenommen wäre. Übrigens erinnert mich das an etwas, was mir Doc Simons, der Kinderarzt, mal erzählt hat. Fast immer stellte er fest, dass er die Mutter behandeln muss und nicht das Kind. In einer Strafrechtspraxis ist das genauso, wenn du einen jugendlichen Klienten vertrittst. Da musst du dir die meiste Mühe mit den Eltern geben. Und wenn es dann noch jüdische Eltern sind …»
    Es war nicht verwunderlich, dass die Gegner des Rabbi seinen Beitrag abzuwerten suchten. Sie gaben zwar zu, dass er es geschafft hatte, deuteten aber an, dass der Rabbi vermutlich einen Wink von seinem Freund Lanigan, dem Polizeichef, bekommen habe, der es wiederum von der Bostoner Polizei wissen müsse, «weil die Polizisten alle unter einer Decke stecken».
    Lanigan traf den Rabbi bald danach. «Bradford Ames hat sich bei der Sache nicht in die Karten sehen lassen», sagte er. «Sogar mein Freund Schroeder war überrascht. Er glaubt, der D. A. hätte die Kinder laufen lassen, weil er sich von einem Prozess gegen diesen Ekko mehr verspricht, als wenn er alle fünf anklagt.»
    «Haben sie den jetzt gefunden?», erkundigte sich der Rabbi.
    «Ach, wussten Sie das noch nicht? Laut Schroeder ein reiner Glückstreffer. Glück braucht man schon, weil diese jungen Leute heutzutage einen richtigen Untergrund haben. In jeder Stadt gibt’s Adressen, wo sie hingehen können. Wenn früher ein Verbrecher auf der Flucht war, hatte er es schwer. Je intensiver er verfolgt wurde, umso schwerer fand er ein Versteck. Aber bei diesen jungen Leuten ist es genau umgekehrt. Wenn einer vor der Polizei davonrennt, nicht nur vor den Eltern, umso hilfsbereiter werden sie. Seit etwa einem Jahr ist es ein bisschen besser geworden, weil das FBI eine Menge von diesen Gruppen infiltriert hat, aber trotzdem finden wir nicht viele, die nicht gefunden werden wollen. Sie sehen alle gleich aus – die gleiche Kleidung, wilde Haare und Bärte. Und die Mädchen lassen die Haare herunterhängen, dass sie das halbe Gesicht verdecken. Wenn sie geschnappt werden, dann meistens, weil sie nicht mehr länger rennen mögen.»
    «Hat Schroeder gesagt, wie die Anklage gegen den jungen Mann lauten wird?», fragte der Rabbi.
    «Ich schätze, dass sie die Mordanklage fallen lassen; sie werden sich an die Brandstiftung halten, weil sie da leichter einen Schuldspruch erzielen. Es sollte mich übrigens nicht wundern, wenn gar nichts dabei herauskäme.» Lanigan schüttelte den Kopf. «Sie sollten mal hören, wie bitter sich die Polizeibeamten beklagen. Für den Normalbürger sind das verirrte oder irregeführte Kinder, aber doch keine Verbrecher! Niemals! Wenn ein Student klaut, dann nur, um das Geld dem Friedens-Fonds oder dem Umweltschutz zu geben. Sie sind lauter kleine Robin Hoods.»
    Lanigan strich sich über das Gesicht und sprach verbittert weiter. «Früher mal hat ein Gauner gestohlen, um sich ein neues Auto und schicke Klamotten zu kaufen. Aber diese jungen Leute fahren alte Klapperkästen und tragen zerlumptes Zeug. Das beweist, dass sie alle Idealisten sind, ja? Nein! Unsere Leute wissen, dass sie

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