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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Rabbi und sah eine Küchenschabe über die Wand laufen. Er schlug sie mit dem Stock herunter und trat sie tot. «Dies ist hier nicht gerade das Ritz, aber dafür kostet es auch nichts.» Er lachte. «Das ist eine der Redensarten, die man hier so hört. Nicht umwerfend komisch, aber es hebt die Stimmung.»
    Der Rabbi nickte und fuhr dann nach einer Pause fort: «Es ist merkwürdig. Professor Hendryx glaubte auch nicht daran, dass es noch die Aufgabe des College sei, junge Leute zu unterrichten. Er glaubte, seine gegenwärtige Funktion wäre es, College-Professoren zu unterhalten.»
    «Das ist typisch Hendryx», sagte Fine. «Aber wenn Sie mal seine Wirkung auf die Gesellschaft untersuchen, finden Sie, dass das College nichts anderes tut, als die Schafe von den Ziegen oder die weißen von den blauen Kragen zu trennen.»
    «Es überrascht mich, dass Sie sich dieser Ansicht anschließen wollen», sagte der Rabbi liebenswürdig.
    «Ach, da gibt es noch so eine kleine Nebenwirkung, auf die das Establishment vielleicht noch nicht gestoßen ist, und die ist der Grund, warum wir mitmachen und warum wir diese Sommerkurse aufgezogen haben.»
    «Und die wäre?»
    «Jeder von der anderen Seite des Zauns, dem es gelingt einzusteigen, wird automatisch sozial angehoben. Man kann nicht abstreiten, dass das College der Weg ist, der zum sozialen Aufstieg führt. Das ist eine Tatsache, die von allen Soziologen und den meisten Pädagogen erkannt ist.»
    «Ich muss gestehen, dass ich Ihren Glauben an die Weisheit der Soziologen und Pädagogen nicht teile.»
    «Verdammt nochmal, Rabbi –»
    «Natürlich ist meine Ansicht die traditionelle jüdische Ansicht», fuhr er ganz ungestört fort, «dass Lernen um des Lernens willen geschehen soll. Ein College mit philosophischer Fakultät wie Windemere ist ein Platz für die, die mehr wissen möchten als das, was man ihnen in der High School beigebracht hat. Wenn Sie es zu einem Mittel zum sozialen Aufstieg umwandeln, wie Sie das eben genannt haben, oder in etwas allzu Praktisches, um das nicht zu vergessen, erfüllt es seinen Zweck nicht mehr.»
    «Sie meinen, man sollte Colleges mit einer philosophischen Fakultät den klügsten jungen Leuten vorbehalten?»
    «Keineswegs, obwohl ich nicht weiß, was Sie unter den ‹klügsten jungen Leuten› verstehen oder wie Sie sie auswählen wollen. Gute Noten belohnen meistens die gefügigsten Schüler, die, die sich der Meinung ihrer Lehrer anschließen. Lernen hat nichts von einem Wettbewerb an sich, es ist etwas, das jeder für sich allein tut. Ein dicker Mann, der Gymnastik betreibt, um abzunehmen, konkurriert nicht mit einem, der dort ist, um seine Muskulatur zu entwickeln, ja nicht einmal mit einem anderen, der auch abnehmen möchte. Jeder ist da, um seine eigenen Zwecke zu erreichen.»
    «Also sind Ihrer Meinung nach die Einzigen, die in ein philosophisches College gehen sollten –»
    «Nicht die klügsten, sondern die, die wirklich dort studieren wollen, die ihr Wissen erweitern möchten», sagte der Rabbi abschließend.
    Fine gelang es kaum, sein leicht triumphierendes Lächeln zu verbergen, als er sagte: «Warum erheben Sie dann Einwände gegen unser Programm, Schwarze ins College zu bringen?»
    «Das tue ich nicht.» Der Rabbi blieb völlig unberührt. «Für die, die lernen wollen, habe ich keine Einwände, vorausgesetzt, sie haben die nötige Vorbildung. Aber ohne die werden sie die Arbeit nicht leisten können, ebenso wie der dicke Mann in der Gymnastikschule die physische Anstrengung nicht zu seinem Zweck auswerten kann, wenn er einen schweren Herzfehler hat. Und Sie tun diesen Studenten nichts Gutes an. Nein. Ganz im Gegenteil.»
    Der rothaarige junge Mann lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schüttelte verwundert den Kopf. Erst grinste er, und dann lachte er laut.
    «Habe ich etwas Komisches gesagt?», fragte der Rabbi.
    «Nein, Sie sind ganz in Ordnung, Rabbi. Wissen Sie, als mein Anwalt gesagt hat, Sie kämen, hab ich mich gefragt warum. Würden Sie kommen, um den Verurteilten zu einem Geständnis zu bewegen? Um ehrlich zu sein: Ich war nicht wild auf Ihren Besuch, aber Winston, das ist mein Anwalt, schien es für sinnvoll zu halten. Und da sitzen wir jetzt in einem kleinen Zimmer im City Jail und sprechen – ausgerechnet – über Erziehungstheorien und Philosophie. Sie müssen zugeben, Rabbi, dass das komisch ist.»
    Der Rabbi grinste. «Sie haben Recht, es ist komisch.»
    Fine beugte sich vor. «Ich würde mich Ihrer Theorie nur

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