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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Jahre.»
    «Jahre? Aber das ist nicht gerecht. Ich meine, wenn sogar Juden sie nicht kennen.»
    «Ich nehme an, dass es absichtlich so ist, um die Konvertiten zu entmutigen. Allerdings gibt es auch die Theorie, dass jeder, der als Jude geboren ist, das Wissen um die jüdische Art unbewusst übernommen hat, sozusagen mit der Muttermilch. Ein anderer muss dafür Arbeit leisten.»
    «Aber Jahre!»
    Der Rabbi war mitfühlend. «Es scheint kaum der Mühe wert, nicht wahr? Warum sagen Sie Ihrer Freundin nicht, sie soll versuchen, den Jungen zu vergessen, ihn aufgeben? Anfangs mag es ihr unmöglich erscheinen, ohne ihn leben zu können, aber sie wird erfahren, dass sie das kann. Wissen Sie, Menschen verlieben sich immer wieder in Menschen, die sie nicht heiraten können. Zum Beispiel kann der andere schon verheiratet sein.» Er lächelte. «Meistens überleben sie’s.»
    Sie blieb stumm und machte keine Anstalten zu gehen.
    «Ist dies, was ich Ihnen erzählt habe – ist das ein Schock für Sie gewesen?», fragte er freundlich.
    «Nein, es war das, was er vorausgesagt hat.» Sie holte tief Luft, und ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. «Rabbi, Sie kennen doch Professor Fine? Den, der verhaftet worden ist?»
    «Ja. Ich kenne ihn. Warum?»
    «Weil er es nicht getan hat. Er kann es nicht getan haben, weil er bei mir war. Als das geschehen ist, meine ich.»
    Langsam stellte der Rabbi den Stuhl wieder gerade. «So? Und wo war das?»
    «In einem Motel, dem Excelsior , an der Route 128. Ich habe uns ein Zimmer genommen, dann hab ich ihn hier angerufen, hier im College, und ihm die Nummer gesagt, und er ist sofort gekommen.»
    «Um welche Zeit ist er abgefahren?»
    «Um Viertel nach zwei.»
    Er sah sie an. «Wie kommt es, dass Sie die Zeit so genau wissen?»
    «Weil ich, nachdem ich das Zimmer genommen hatte, nicht – nicht sicher war. Ich hatte irgendwie Angst bekommen. Ich hab so was noch nie vorher gemacht. Und wie die Frau vom Motel mich angesehen hat, als ich ihr sagte, mein Mann machte noch ein paar Besorgungen und käme etwas später … Wissen Sie, es liegt ganz dicht bei einem Einkaufszentrum. Ich dachte, ich könnte zur Rezeption zurückgehen und sagen, ich hätt’s mir anders überlegt und mein Geld zurückfordern. Dann dachte ich, ich könnte mich einfach in meinen Wagen setzen und abfahren, ohne was zu sagen, und auf das Geld verzichten. Dann dachte ich, ich würde bis Viertel nach zwei warten.»
    «Warum gerade Viertel nach?»
    «Weil es da gerade ein paar Minuten nach zwei war, und mir Viertel nach für einen Entschluss gut geeignet erschien.»
    «Und dann haben Sie ihn angerufen?»
    Sie nickte.
    «Gibt’s bei dem Motel eine Telefonzentrale, oder kann man direkt wählen?»
    «Ich hab nicht vom Zimmer aus telefoniert. Auf dem Parkplatz ist eine Telefonzelle. Ich hab von da aus angerufen, weil ich nicht wollte, dass die Frau vom Motel mithört.»
    «Und wie sind Sie gerade auf dieses Motel gekommen?»
    Sie senkte den Blick. «Eines der Mädchen aus dem Studentenheim hat es mir empfohlen.»
    «Hm. Und wann ist Professor Fine gekommen?»
    «Ich – ich weiß es nicht genau. Aber er hat gesagt, er führe sofort los und würde nicht … Ich meine, wenn er zu mir käme, würde er nicht unterwegs …»
    «Nein, das glaube ich auch nicht», sagte der Rabbi freundlich. Und dann: «Haben Sie zufällig aufgepasst, wann er bei Ihnen eingetroffen ist?»
    Sie schüttelte langsam den Kopf. «Nein, ich habe erst später auf die Uhr gesehen, als ich Angst hatte, es könnte zu spät für ihn werden, aber er hat gesagt, er wäre nicht in Eile. Seine Frau war irgendwo eingeladen, und er hatte ihr gesagt er würde in der Stadt bleiben.»
    «Weiß die Polizei von der ganzen Sache?»
    «Natürlich nicht, sonst wäre er längst frei, nicht?»
    «Wenn sie ihm glauben», sagte er. «Hat jemand im Motel Sie zusammen gesehen?»
    Sie wehrte sehr entschieden ab. «Nein, bestimmt nicht. Wir waren sehr vorsichtig. Darum haben wir ja auch ausgemacht, dass ich das Zimmer nahm. Er wollte nicht gesehen werden. Er hatte Angst, dass sich der Besitzer wegen seiner roten Haare und des Stocks an ihn erinnern könnte und dass es eines Tages herauskommen würde.»
    «Hm.»
    «Er würde es nie erzählen», sagte sie überzeugt, «weil er mich da nicht reinziehen will.»
    «Obwohl er deswegen im Gefängnis bleiben muss?»
    «Ja, sicher.»

47
    David Small füllte seinen Besucherschein aus und schob ihn in die Schale unter dem dicken,

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