Am Ende bist du mein
sie hätte es getan», fuhr Adrianna auf. «Ich wünschte, sie hätte jedes kleine schmutzige Geheimnis ans Tageslicht gezerrt. Denn dann brauchte ich jetzt nicht zu überlegen, was wirklich war und was nicht.»
«Mit solchen Wünschen wäre ich vorsichtig», versetzte Janet kalt. «Du hast Craig geliebt. Du wolltest ihn heiraten.»
Ja, dachte Adrianna, trotz meiner Zweifel. Ich war schwanger und wollte, dass mein Kind Eltern und ein Familienleben hat. «Hast du jetzt alles gesagt, was du sagen wolltest?»
«Beinah. Ich wollte dich auch noch bitten, mir die Gemälde der Thorntons vor der Auktion zu zeigen. Ich habe ein paar Interessenten, und vielleicht möchte ich sogar selbst etwas kaufen.»
«Du weißt genau, dass das nicht geht. Du wirst bieten müssen, wie jeder andere auch.»
«Dann gib mir wenigstens den Katalog. Dagegen ist ja wohl nichts einzuwenden.»
«Der ist noch nicht fertig.»
Janet lachte auf. «Seit wann hast du gelernt zu lügen?»
«Ich lüge nicht. Der Drucker spendet uns die Kataloge, und deshalb dränge ich ihn nicht.»
«Dann lass mich die Fahnen sehen.»
«Nein.»
«Warum willst du für eine alte Freundin keine Ausnahme machen?»
«Janet, bitte. Und seit wann interessierst du dich überhaupt für diese Gemälde? Vor ein paar Monaten waren sie dir noch vollkommen gleichgültig.»
«Die Marktlage hat sich eben geändert. Du weißt doch, wie wechselhaft die Kunstwelt ist. Aber schön, dann sehen wir uns eben bei der Auktion.» Mit diesen Worten machte Janet auf dem Absatz kehrt und stolzierte aus dem Laden.
Durch das Schaufenster sah Adrianna zu, wie sie auf der anderen Straßenseite in ihren Mercedes stieg und losfuhr. Irgendetwas führt sie im Schilde, dachte sie und kehrte in ihr Büro zurück.
Doch während sie einen Scheck nach dem anderen unterschrieb, gingen ihr Janets Worte nicht aus dem Sinn. Wieso war Rhonda zum
richtigen Zeitpunkt
verschwunden?Die Hochzeit war an einem Freitag gewesen, und da hatte Rhonda noch versucht, in die Festgesellschaft einzudringen. Am Montag waren sie und Craig in die Flitterwochen gefahren. Warum hatte Rhonda den Samstag oder Sonntag nicht genutzt, um noch einmal Kontakt aufzunehmen, was einfacher gewesen wäre, als in eine Hochzeitsgesellschaft zu platzen? Wer hatte dafür gesorgt, dass sie vorher verschwand?
Adrianna schlug die Unterschriftenmappe zu. Sie wusste einfach zu wenig, und im Moment fehlte ihr die Zeit, weiter darüber nachzugrübeln.
In seinem Büro machte Gage sich daran, die Ergebnisse des Vortags in einem Bericht zusammenzufassen. Um sieben Uhr kam Vega und brachte ihm eine Telefonnotiz, nach der Rex Jones spätabends angerufen hatte. Ohne lange nachzudenken, wählte Gage die angegebene Nummer.
«Mann», meldete sich eine verschlafene Stimme nach langem Läuten. «Was ist denn jetzt schon so wichtig?»
«Mein Name ist Hudson. Sie haben uns gestern Abend angerufen.»
«Hudson? – O ja, richtig. Momentchen mal.» Am anderen Ende wurde rumort, und dann klickte ein Feuerzeug. «Sie wollten was über Kelly Jo wissen.» Jones inhalierte.
«Genau. Was können Sie mir über sie sagen?»
«Wenig. Nur dass sie eigentlich Colleen hieß. Colleen Morgan. Wohnte bei ihrer Schwester unten in der Stadt.»
«Haben Sie die Adresse?»
«Hab ich sogar extra rausgesucht. Warten Sie mal – okay, hier ist sie.» Jones nannte die Adresse. «Die Schwester heißt Brenda Davidson.»
«Wissen Sie, was aus Colleen geworden ist?»
«Keine Ahnung. Wie ich gehört habe, lebt sie inzwischen in New York. Kann ich jetzt weiterschlafen?»
Eine Viertelstunde später saßen Gage und Vega im Wagen und steuerten die angegebene Adresse an. Über Funk erfuhren sie, dass es auf ihrer Strecke einen Auffahrunfall gegeben hatte. Gage entschloss sich, den Stau zu umfahren, und bog in eine Seitenstraße ab. Währenddessen gab Vega Colleens Name in den Computer ein. «Nicht schlecht», murmelte er, als eine längere Liste mit Vorstrafen erschien.
«Mach’s nicht so spannend», sagte Gage.
«Scheckbetrug, Identitätsdiebstahl, Drogen. Das ist alles, aber jeder fängt mal klein an.»
«Hat sie gesessen?»
«Das auch. Aber nur für ein paar Monate.»
Als sie den James River hinter sich hatten, löste der letzte zähe Morgenverkehr sich auf. Eine Weile später hielten sie vor einem einstöckigen Haus mit ehemals weißer Aluminiumfassade und einem vernachlässigten Vorgarten mit kniehohem Gras, durch das ein rissiger Betonweg zum Eingang führte.
Von
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