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Am Ende der Ewigkeit

Am Ende der Ewigkeit

Titel: Am Ende der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Carver
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den örtlichen Gegebenheiten des Postens. Seine Implantate integrierten die neuen Auskünfte in das Wissen, das sie sich während der Nacht und in den Flicker-Röhren angeeignet hatten. Vielleicht war es ganz gut so, dass sie keine Flicker-Röhren mehr benutzten, denn er fand, er hätte bereits mehr Daten absorbiert, als er verkraften konnte.
    Die meiste Zeit über hielten sich seine Implantate jedoch im Hintergrund und überließen ihm das Beobachten – in seinem eigenen Rhythmus. Doch er wurde das Gefühl nicht los, dass irgendwo in seinem Unterbewusstsein eine Struktur in die Höhe wuchs, ein beharrliches Aufeinanderhäufen von Steinen, Mörtel und Sand stattfand; es bedeutete nicht nur, dass sein Faktenwissen über die Cyber und den Außenposten Ivan erweitert wurde, sondern dass sich eine Basis bildete, damit er verstand, wie alles ineinander griff. Möglicherweise waren die Implantate doch zu etwas nütze; ohne sie hätte er Wochen gebraucht, um das zu lernen, was er sich hier binnen vierundzwanzig Stunden einverleibt hatte.
    Am meisten überraschte ihn vielleicht die Erkenntnis, dass hier ein ähnlicher Lebensstil herrschte wie auf den Welten der Zentristen. Überall sah er Bürger, die die Arbeiten verrichteten, wie sie in einer Gemeinschaft von elftausend Leuten anfielen: Sie sorgten für das Funktionieren einer Infrastruktur, verarbeiteten die Rohstoffe in Fabriken, packten Nahrungsmittel ab, transportierten sie und bereiteten sie für den Verzehr vor. Einmal begegneten sie einer Schar Kinder, die von Aufpassern oder Lehrern begleitet wurden; doch wie Tracy-Ace ihm erzählte, lebten die Kinder die meiste Zeit über in einem separaten Habitat.
    Eine Frage brannte ihm noch auf der Seele; sie quälte ihn wie ein Stachel im Fleisch, anfangs von ihm ignoriert, sich jedoch immer stärker in den Vordergrund drängend. Schließlich sprach er sie laut aus, während er mit Tracy-Ace auf einer Aussichtsplattform stand, von der aus sie eine Art Güterbahnhof überblickten; hier wurden emsig Paletten mit Lebensmitteln und anderen Waren ausgeladen und sortiert. Bis jetzt hatte er noch keine Arbeiter gesehen, die ihm wie Sklaven vorkamen. Er wählte seine Worte mit Bedacht. »Wo arbeiten hier die … Gefangenen?«
    Als er sich Tracy-Ace zuwandte, sah er, wie sich ihre Miene verfinsterte. Sie nahm sich Zeit mit der Antwort, und als sie dann sprach, klang ihre Stimme kalt und abweisend. »Die … zwangsverpflichteten Arbeitskräfte werden hauptsächlich für den Bau der Flotte eingesetzt.«
    Er wartete auf nähere Ausführungen; sie schien noch mehr sagen zu wollen. Doch sie drehte sich um, ohne ihm in die Augen zu blicken und forderte ihn zum Weitergehen auf.
    Er musste sich sputen, um sie einzuholen. Als er endlich zu ihr aufschloss, hatte sie ihre Mimik wieder völlig unter Kontrolle und zeigte ihm alles mögliche: die Korridore zu den Umweltkontrollen, den Sicherheitskräften und den medizinischen Versorgungsdiensten. Legroeder fasste sich ein Herz und platzte heraus: »Hätte ich lieber nicht fragen sollen?«
    Tracy-Ace wandte ihm ruckartig das Gesicht zu, und ihre Implantate sprühten Blitze. Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf, wobei ihre Haare wild hin und her schwangen. »Im Augenblick kann ich darüber nicht sprechen. Zuerst sollen Sie sich einen Überblick über diese Station verschaffen. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über unsere Politik zu diskutieren.«
    »Aber ich wollte nicht …«, setzte er an und brach wieder ab. Nur nicht drängen. »Okay«, lenkte er ein. »Ich stelle keine Fragen mehr.«
    Sie nickte heftig. »Gut.« Einen Moment lang schloss sie die Augen und schien zu einem Entschluss zu gelangen. »Hören Sie …« Sie nahm seinen Arm und bugsierte ihn in eine andere Richtung. »Ich zeige ihnen etwas, das Sie als Rigger sehr interessieren dürfte. Freiwillige Arbeiter. Kommen Sie mit!«
    Sie sausten in einer Liftröhre nach unten und dann über eine kurvenreiche Rampe.
    »Eigentlich sollten Sie es erst später sehen, aber ich denke, dass Sie darauf vorbereitet sind. Doch ehe ich Sie irgendwohin bringe, muss ich Sie warnen, dass wir uns in eine Hochsicherheits-Zone begeben.« Sie hielt an und blickte ihm direkt in die Augen. »Dort gibt es verborgene Sicherheits-Mechanismen. Und die Order lautet, erst schießen und dann fragen. Schaffen Sie es, Ihren Mund zu halten und sich die Fragen für später aufzuheben?«
    »Äh … selbstverständlich.« Was hätte er sonst antworten sollen?

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