Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Art,
mit Problemen umzugehen. Für mich ist er auch unerreichbar.«
    »Aber Molly und Lisa scheinen ja ganz
okay, wenn auch ein bißchen... na ja...«
    »Hy, du brauchst dich nicht so taktvoll
auszudrücken. Sie sind die absolute Pest, aber ich liebe sie trotzdem. Und ja,
sie werden es packen, jetzt, wo sie merken, daß Red keine böse Stiefmutter ist
— oder wie immer man Daddys Beziehungspartnerin heutzutage nennen mag. Ich
dachte mir schon, daß das so kommen würde, deshalb habe ich ja gehofft, die
vier Kleinen übers Wochenende hier haben zu können. Das hätte uns allen an
Weihnachten eine Menge Strapazen erspart.«
    Während Ricky und Hy sich unterhielten,
hatte ich Habiba beobachtet. Auf dem Hackblock stand ein offenes Glas mit
Oliven, und ihre Hand kroch verstohlen darauf zu. Sie stibitzte eine Olive,
steckte sie in den Mund und sah zu Ricky empor. Gleich darauf mauste sie noch
eine. Er tat, als hätte er sie ertappt, machte ein grimmiges Gesicht und
zwinkerte ihr dann zu. Habiba wartete, bis er seine Aufmerksamkeit wieder Hy
zuwandte, stibitzte dann zwei weitere Oliven und bot Zach eine an. Nach kurzem
Zögern griff er zu.
    Plötzlich überkam mich eine Welle der
Dankbarkeit diesem Mann gegenüber, den ich immer noch Bruder Ricky nannte und
der — obwohl er zeitweilig vergessen zu haben schien, was praktisches Vatersein
hieß — soviel Herz für einsame und entwurzelte Kinder hatte. Er konnte nichts
tun, um die schlimmen, traurigen Dinge ungeschehen zu machen, die Habiba in
ihrem jungen Leben widerfahren waren, genausowenig, wie er den Schmerz aufheben
konnte, den er und meine Schwester ihren eigenen Kindern zugefügt hatten. Doch
er versuchte es mit kleinen, bescheidenen Dingen: er wußte, daß Oliven Habibas
Lieblingsleckerei waren, und hatte absichtlich das Glas offen stehenlassen.
    Und Habiba vermochte offenbar ebenfalls
Einsamkeit und Unbehagen bei anderen zu erkennen: sie hatte gemerkt, wie Zach
sich fühlte, und selbst einen vorsichtigen kleinen Versuch gemacht, ihn zu
trösten. Durch seine Reaktion ermutigt, kletterte sie von dem Hocker, das Olivenglas
in der Hand, und fragte ihn: »Willst du mal was echt Cooles sehen?«
    »Äh... klar.«
    »Darf ich’s ihm zeigen, Ricky?«
    »Warum nicht?« Er sah ihnen nach, wie
sie zur Küchentür entschwanden, und rief dann: »Aber behaltet eure Kleider an!«
Habiba drehte sich um, stemmte eine Hand in die schmale Hüfte und krauste
angewidert die Nase: »Manchmal bist du echt blöd!« Als sie weg waren, fragte
ich: »Worum ging’s denn?«
    »Sie zeigt ihm unseren Whirlpool.« Im
Solarium neben ihrem Schlafzimmer befand sich eine Massagewanne, von der aus
man auf die Golden Gate Bridge, die Marin-Halbinsel und den Pazifik schauen
konnte. »Habiba hat rausgefunden, daß Red und ich zusammen in die Wanne
steigen, und zwar, wie sie es ausdrückt, ohne Badesachen. Sie findet das
schrecklich — und faszinierend.« Rae kam wieder herein, inspizierte etwas im
Backofen, was wie Lasagne roch, und übernahm Habibas Hocker. »Ich habe sie vor
der Hobbyraumglotze geparkt und eins von den Videos eingelegt, die du
ausgeliehen hast«, erklärte sie Ricky. »Und ich habe ihnen, zu unser aller
Bestem, versprochen, sie könnten dort unten essen.«
    »Danke, daß du so nett zu meinen
gräßlichen Kindern bist, Red.«
    »Sie sind nicht gräßlich. Sie wissen
nur noch nicht, wie sie sich uns gegenüber verhalten sollen.«
    »Na ja, hoffentlich lernen sie’s bald,
oder wir sind beide in Kürze reif für die Klapsmühle.« Er hob sein Glas an
ihren Mund, aber sie stieß aus Versehen mit der Hand dagegen und verschüttete
Martini auf ihren blauen Pulli. Mit der Gelassenheit eines Menschen, der
Kleckereien gewohnt ist, schnippte sie die Tröpfchen weg, stabilisierte das
Glas und trank. Das erinnerte mich an den Abend, als sie sich kennengelernt
hatten: Da war sie so hingerissen gewesen, daß sie sich einen Becher Cola auf
den Fuß hatte fallen lassen.
    Ich sah zu Hy hinüber. Er lächelte mich
an, und ich wußte, was er dachte. Letzten Sommer, als ich offen und vehement
gegen diese mir absurd erscheinende Beziehung gewesen war, hatte er darauf
beharrt, sie würden einander guttun. Ein Hauch von Was-hab-ich-gesagt in diesem
Grinsen, Ripinsky.
    »Okay«, sagte er jetzt zu mir, »erzähl
uns, was der Sohn von Matty Wildress’ Freund bei dir macht.«
    »Tja, du weißt doch, es kam mir gleich
komisch vor, daß sie mich vier Monate zu früh an meine Zweijahresprüfung erinnert.
In

Weitere Kostenlose Bücher