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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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sagte ich
schließlich in forciert beruhigendem Ton, »hier sind wir. Was wollten Sie uns
zeigen?«
    Sie griff in den Reisesack zu ihren
Füßen und zog ein flaches, weißes, wolliges Etwas heraus. Es hatte eine
schwarze Schnauze und Beine und an der Seite ein appliziertes rotes Satinherz.
Ich starrte es an und versuchte zu ergründen, worum es sich handeln mochte.
    Sie versuchte zu lächeln. »Verrückt,
was? Das ist eine Wärmflasche, als Lämmchen verkleidet. Man füllt sie durch
dieses dümmliche Mäulchen hier. Ein Geschenk von meinem ersten Kunstflugcoach,
Jim Powell. Ein Witz, weil er mitten im Winter angefangen hat, mich zu
trainieren, und mir immer kalt war.«
    »Und das haben Sie in Ihrer Maschine
gefunden?«
    »Ja. Vor etwa einer Woche war das Ding
plötzlich verschwunden. Ich war beunruhigt, weil ich es immer dort liegen hatte
— als Glücksbringer, verstehen Sie? Bevor Jim es mir geschenkt hat, hat er mir
eine Liste gemacht. Die hat er dann zusammengerollt und reingesteckt. So eine
Liste, wie ich sie meinen Schülern mache, wenn sie ihren Pilotenschein kriegen,
nur auf die Kunstfliegerei bezogen.«
    Ich erinnerte mich wohl an meine eigene
Liste, die immer noch zu meinen teuersten Schätzen gehörte. Außer praktischen
Tips und ermunternden Worten hatte Matty auch noch lustige Empfehlungen aus
alten Flughandbüchern darauf geschrieben: »Gehen Sie nie mit leckendem Motor in
die Lüfte«, »Der Aviator trägt beim Fliegen keine Sporen«, »Es ist ratsam, eine
gute Blechschere an einem Platz aufzubewahren, der im Unglücksfall für
Flugzeuglenker und Passagier leicht zugänglich ist.« Und ganz unten stand: »Sie
sind eine gute Pilotin, McCone. Fliegen Sie wohl, freudig und viel.«
    Ich fragte: »Und heute abend ist das
Lämmchen wieder aufgetaucht?«
    »Ich habe es hinter dem Sitz entdeckt,
als ich nach dem Festmachen mein Gepäck rausnehmen wollte. Heute morgen war es
noch nicht da. Natürlich habe ich gleich nachgeguckt, ob Jims Liste noch
drinsteckt. Sie war da, aber eingerollt in das hier.« Sie popelte mit dem
Zeigefinger im Rachen des Lämmchens, zog eine Papierrolle hervor, löste das
äußere Blatt und streckte es mir hin.
    Ich strich es auf dem Tisch glatt. Hy
beugte sich mit darüber, und wir studierten es beide. Ein Brief, in einer
krakeligen, schwer lesbaren Handschrift.
     
    Liebe Matty,
    ich hoffe, Du liest diesen Brief nie,
aber wenn Du’s tust, werde ich schon über eine Woche weg sein und auch — wenn
überhaupt — nicht so schnell zu Dir und Zack zurückkommen. Und auf keinen Fall
nach Los Alegres.
    Folgendes ist lebenswichtig, und Du
mußt dich genauestens dran halten. Es wird Dein und Zachs Leben retten.
    Ich habe dafür gesorgt, daß Dir
telegrafisch 70 000 $ auf Dein Bankkonto überwiesen werden. Dein
Bankfilialleiter, Jeff Collins, ist ein Freund von mir, und er weiß, daß Du das
Geld bar ausgezahlt kriegen sollst. Ich habe ihm eine Geschichte von einer
lukrativen Investitionsmöglichkeit aufgetischt, also setz einfach nur Dein
nettes Lächeln auf und tu geheimnisvoll, wenn er Dir die Würmer aus der Nase
ziehen will.
    Sobald Du das Geld hast, nimm Zach und
verschwinde aus Los Alegres. Verabschiede Dich von niemandem, nicht mal von den
Paynes, und vor allem: Sag niemandem, wo Du hin willst.
    Daß ich weggegangen bin, hat nichts mit
uns beiden zu tun, Matty. Du bist eine wunderschöne, starke Frau — toll in
jeder Hinsicht. Und deshalb weiß ich, daß ich Dir Zach anvertrauen kann. Tu,
was immer Du tun mußt, benutze andere Namen, geh irgendwohin, wo Dich keiner
kennt, verhalte Dich unauffällig. Und erziehe meinen Jungen so, wie ich es tun
würde — mit Liebe. Ich kann Dir nicht erklären, was los ist — jetzt nicht und
wahrscheinlich überhaupt nie. Bitte vertrau mir. Aber wenn ich das hier
irgendwie überlebe, werde ich Dich finden, wo immer Du bist. Das verspreche ich
Dir.
    In Liebe, John
     
    Ich las den Brief zweimal durch und
fragte Matty dann: »Sind Sie sicher, daß das Johns Schrift ist?«
    Sie nickte und biß sich auf die Lippe.
    »Warum sollte er sich die Mühe machen,
den Brief in dem Lämmchen zu verstecken?«
    »Das ist der sicherste Weg, ihn mir im
Bedarfsfall in die Hände zu spielen. Er weiß, daß ich dieses Wochenende die
Show habe, und er weiß auch, daß ich vorher immer Jims Liste lese.«
    »Okay, John könnte den Brief in das
Lämmchen gesteckt haben, bevor er gegangen ist, aber wie ist das Ding heute
wieder in Ihre Maschine gekommen?«
    »Er hat

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