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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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jemanden vom Flugplatz gebeten,
es dort hineinzulegen, schätze ich. Ich habe meine Maschine in Hangar B stehen,
da gehen ständig Dutzende von Leuten ein und aus. John könnte irgendwem
eingeredet haben, das Lamm solle eine Überraschung oder ein Scherz sein.«
    »Okay, und das Geld — wo könnte er so
viel her haben?«
    »Keine Ahnung. Er —«
    »Ich würde sagen, wir haben
schwerwiegendere Probleme als rauszukriegen, wie John an die siebzigtausend
gekommen ist.« Hys Stimme war rauh vor Zorn. »Er sagt, es ist lebenswichtig,
daß ihr euch an seine Anweisungen haltet, du und Zach — es geht um euer Leben.
Matty, was ist das für ein Typ, mit dem du dich da eingelassen hast?«
    »Ein anständiger Kerl. Ich bin sicher,
es gibt für das alles eine vernünftige Erklärung.«
    »Klar. Ein anständiger Kerl, der dich
ohne Vorwarnung in irgendwas reinzieht. Ein anständiger Kerl, der ohne ein Wort
abhaut und dich und seinen Sohn in der Gefahr allein läßt.«
    »Okay, das reicht.«
    Aber Hy war noch nicht fertig. »Eins sag
ich dir«, erklärte er, »du wirst morgen nicht fliegen.«
    Ihr Oberkörper straffte sich. »Oh,
doch, ich werde fliegen. Du hast mir gar nichts zu befehlen, Ripinsky.«
    »In diesem Fall tue ich es aber. Du
wirst —«
    »Genauso weitermachen wie geplant. Ich
werde fliegen, und ich werde es gut machen. Und ich werde auf gar keinen Fall
Johns Geld nehmen und verschwinden. Ich gebe doch nicht mein ganzes Leben auf,
nur weil er sich in irgendeinen Schlamassel reingeritten und verkrochen hat.«
    Ich sagte: »Sein Brief klingt nach mehr
als irgendeinem Schlamassel, vor dem er sich verkrochen hat. Wenn Sie
dazunehmen, was Wes Payne uns erzählt hat, sieht es aus, als ob er irgendeine
Konfrontation gesucht und sie womöglich nicht überlebt hat.«
    »Er ist nicht tot! Das kann nicht
sein!«
    »Sie müssen diese Möglichkeit
einkalkulieren. Und wenn es so ist, dann werden Sie doch nicht wollen, daß Sie
und sein Sohn die nächsten Opfer sind.«
    »Toll! Wirklich großartig!« Der letzte
Rest ihrer Selbstbeherrschung bröckelte jetzt, und wieder sah ich im Geist ein
Aufziehspielzeug rasch auf die Tischkante zu wackeln.
    »Matty, es ist doch nur diese eine
Show. Nur dieses eine Mal, können Sie nicht —«
    »Nein! Ich sagte doch schon, ich darf
mich dem Druck nicht beugen. Es fängt damit an, daß ich nicht fliege. Und dann
würde ich mich selbst so verrückt machen, daß ich nicht mehr fliegen könnte.«
    »Ich glaube nicht, daß es so
verhängnisvoll —«
    »Oh, doch, es ist verhängnisvoll. Und
ob! Was zum Teufel bildet John sich ein, daß er mir so was zumutet? Wie kann er
mich bitten, mich in Luft aufzulösen? Himmel noch mal, wenn ich tue, was er
will, werde ich nie mehr fliegen können! Wenn mich irgendwer sucht, dann doch
zuerst auf dem Flugplatz. Und außerdem könnte ich meinen Namen auf dem
Pilotenschein nicht ändern, ohne eine bürokratische Spur zu hinterlassen. Was
sollte ich machen? Wie könnte ich so leben?«
    »Siebzigtausend Dollar reichen eine
ganze Weile, wenn man sparsam ist, aber darum geht es jetzt nicht. Ich habe
schon einen Mitarbeiter darauf angesetzt —«
    »Geld! Sie glauben, ich rede vom Geld,
McCone? Ich rede davon, wer ich bin. Und ich bin nun mal Fliegerin. Verdammt,
wie ist John nur darauf verfallen, mir das hier anzuhängen, mir sein Kind
anzuhängen?«
    Sie hielt inne, weil ihr die Luft
ausging, und schien ihre eigenen Worte nachhallen zu hören. »O Gott, das mit
Zach habe ich nicht so gemeint. Ich liebe den Jungen, als wäre er mein eigener
Sohn. Ich muß ihn schützen. Aber wie kann ich das, wenn ich nicht mal weiß, vor
wem oder was? Selbst wenn wir flüchten würden, garantiert das doch nicht, daß
wir sicher wären.«
    Hy und ich wechselten einen Blick. Sein
Zorn war verraucht, und sein Stirnrunzeln zeigte an, daß er zutiefst betroffen
und verwirrt war.
    Ich sagte: »Niemand spricht von
Flüchten. Zach ist im Moment erst mal sicher, und wir werden dafür sorgen, daß
es so bleibt. Alles, was wir wollen, ist, daß Sie nicht fliegen, bis wir
geklärt haben, was Sache ist.«
    »Ich kann nicht aus dieser Show
aussteigen, McCone. Das ist, als ob ich aus meinem Leben aussteigen würde.«
    Ich konnte das verstehen, wenn es mir
auch nicht paßte. Jeder Mensch hat seine Methode, in emotional zerrüttenden
Situationen stark zu bleiben, er selbst zu bleiben, wenn ihn die Umstände
seiner Identität zu berauben drohen. Mattys Methode war es zu fliegen — und gut
zu

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