Am Ende der Nacht
hörst.«
»...Kapiert.«
»Warum rufst du an?«
»Na ja, erstens mal hat Lottie diesen
Dr. Sandler aufgespürt, Robert mit Vornamen. Er hat eine Allgemeinpraxis in Los
Alegres. Sie hat dort angerufen und ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen,
daß er sich mit dir in Verbindung setzen soll. Aber jetzt das Interessante: In
der Ansage hieß es unter anderem: ›Falls Sie einen Termin für eine
Flugtauglichkeitsuntersuchung wollen, kommen Sie bitte dienstags oder
donnerstags.««
»Das ist allerdings interessant.« Nur
bestimmte Ärzte sind von der amerikanischen Flugbehörde autorisiert,
Flugtauglichkeitsatteste auszustellen. Warum hätte Matty einen von ihnen wegen
John konsultieren sollen? Aber natürlich konnte Robert Sandler auch einfach der
Hausarzt der Seabrooks sein...
»Nicht annähernd so interessant wie
das, was ich gefunden habe«, sagte Mick. »Du hattest recht mit dem
Good-Buy-Markt; das ist eine kleine Kette an der Westküste Floridas. Ich habe
über die Library of Congress alte Indexe von Tageszeitungen dieser Gegend
aufgerufen und ein paar Artikel über einen tödlichen Schuß auf dem Parkplatz
ihrer Filiale in Gulf Haven gefunden, vor zehn Jahren und acht Monaten, im
März.«
»Das ging ja schnell! Und die
Einzelheiten?«
»Tja, das dortige Lokalblatt ist zu
klein, um ein Volltext-Online-Archiv zu haben, und die Geschäftsstellen sind am
Wochenende natürlich zu. Also habe ich eine Story aus der Saint Petersburg
Times runtergeladen. Ich lese sie dir mal vor.«
Ich schnappte mir Papier und Bleistift
und machte Notizen, während er las. Als er fertig war, fragte ich: »Kannst du
mir einen Gefallen tun? Buche mir irgendeinen Flug, ab« — ich sah auf meine
Armbanduhr — »drei Uhr heute nachmittag, irgendwohin, von wo ich Gulf Haven mit
dem Auto erreichen kann. Und buche mir auch gleich einen Mietwagen.«
»Mir egal, wo ich hinkomme«, sagte
Zach. »Lassen Sie mich hier oder stecken Sie mich woanders hin, wie Sie wollen.
Ich will nur nicht zurück nach Los Alegres.« In dem riesigen Armsessel in Raes
und Rickys Wohnzimmer wirkte er trotz seiner Körperlänge ziemlich klein.
Hank Zahn nahm seine Hornbrille ab,
hielt sie gegen das Licht und prüfte sie auf Schmierflecken. Das war eine
Verzögerungstaktik, die ich ihn auch schon im Gerichtssaal hatte anwenden
sehen. »Du mußt doch irgendeine Vorliebe haben.«
Zach zuckte die Achseln.
Hank setzte die Brille wieder auf und
verlagerte seinen Blick auf mich. »Kann ich dich mal kurz in der Küche
sprechen?«
Ich nickte, und wir gingen hinaus. Im
Haus herrschte Sonntagabendruhe. Ricky war mit Molly und Lisa zum Flughafen
gefahren, und Rae saß in ihrem Arbeitszimmer und arbeitete — vermutlich an dem
Manuskript eines Romans, über den sie bisher mit keinem von uns hatte reden
wollen.
Hank lehnte an der Hackblockinsel, die
Arme über dem blauen Skipullover verschränkt. »Ich weiß, Zach ist deprimiert
und durcheinander, aber er macht es mir nicht gerade leicht zu entscheiden, was
wir für ihn tun sollen.«
»Nein.«
»Meine Empfehlung muß vom Wohl des
Kindes ausgehen. Bei einem Jungen in Zachs Alter möchte ich gern dessen eigene
Wünsche berücksichtigen.«
»Tja, falls es irgendwas hilft, kann
ich eindeutig sagen, daß seiner Sicherheit am ehesten gedient ist, wenn er hier
bleibt und der RKI-Posten auch.«
»Wie ernst ist deiner Meinung nach die
Bedrohung seines Lebens?«
»Sehr ernst.«
Er fuhr sich mit den Fingern durch das
drahtige graubraune Haar. »Ich muß dich noch ein paar Sachen fragen. Diese
Klientin von dir, die umgekommen ist — in welchem Verhältnis stand sie zu Zachs
Vater?«
»Sie war seine Lebensgefährtin, seit
fast einem Jahr.«
»Und er hat den Jungen ihrer Obhut
überlassen?«
»Ja. Ich habe einen Brief von ihm an
meine Klientin, in dem er das ausdrücklich erklärt.«
»Und sie wiederum hat ihn deiner Obhut
überlassen?«
»Um seiner Sicherheit willen.«
»Das war eine mündliche Vereinbarung?«
»Ja.«
»Irgendwelche Zeugen?«
»Nur Zach.«
Er überlegte. »Und der Vater — wie
lange ist er schon verschwunden?«
»Über eine Woche.«
»Und es gibt keine lebenden
Verwandten?«
»Falls doch, wüßte ich nicht, wie man
sie benachrichtigen sollte.«
»Und du bist aktiv bemüht, den Vater
ausfindig zu machen?«
»Ja.«
»Wie beurteilst du die Chancen?«
Ich zögerte, am liebsten hätte ich Hank
die ganze Geschichte erzählt. Ihm konnte ich trauen; wir waren eng befreundet,
seit wir als
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