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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Studenten im selben Haus gewohnt hatten, und ich lud bei ihm oft
Sachen ab, die ich nur wenigen anderen Leuten erzählt hätte. Aber obwohl er
mein Anwalt war, war ich mir nicht sicher, ob die Einzelheiten dieses Gesprächs
unter das Anwaltsgeheimnis fielen. Da Hy und ich die Grenzen des Legalen schon
so weit überschritten hatten, wollte ich Hank nicht in die Situation bringen,
womöglich gegen einen von uns aussagen zu müssen.
    Er sah den Konflikt in meinem Gesicht.
»Okay, ich habe volles Vertrauen in deine Fähigkeiten, daher unterstelle ich
mal, daß die Antwort positiv ausfällt. Und ich bin der Meinung, daß Zachs Wohl
am ehesten gedient ist, wenn er hier bleibt, bis du seinen Vater gefunden hast
oder aber mit Sicherheit sagen kannst, daß er unauffindbar oder tot ist.«
    »Das ist gut, Hank.«
    »Hoffen wir’s; die rechtliche Lage ist
bestenfalls durchwachsen. Hast du gesagt, du willst heute noch nach Florida?«
    »Ja, Nachtflug.« Das war der einzige
Flug, für den ich noch einen Platz gekriegt hatte.
    »Darf ich fragen, wer die Ermittlungen
finanziert, nun wo deine Klientin tot ist?«
    Ich hatte mir auf dem Rückweg von
unserem Häuschen meinen Plan genau zurechtgelegt; das war jetzt eine gute
Gelegenheit, ihn Hank testhalber zu unterbreiten. »Sag mir, was du davon
hältst: Ich hatte kein Vertragsformular bei mir, als mich Matty — die Klientin
— engagiert hat, aber sie hat mir einen Scheck ausgestellt und darauf vermerkt,
es handle sich um eine Anzahlung. Das stellt doch einen impliziten Vertrag dar,
oder?«
    Er nickte.
    »Ich kann also davon ausgehen, daß ich
meiner vertraglichen Verpflichtung — John Seabrook zu finden — so lange
nachzugehen habe, wie der Vorschuß reicht. Und daß ich darüber hinausgehende
Kosten möglicherweise ihrem Nachlaß gegenüber geltend machen kann.«
    »Wenn es einen Nachlaß gibt, ja.«
    »Es gibt ihn, in gewisser Weise. Auf
dem Konto, das durch den Scheck bezogen wurde, liegt eine beträchtliche Summe,
die Seabrook an dem Tag, an dem Matty mich angeheuert hat, telegrafisch dorthin
überwiesen hatte. Der Brief, den ich bereits erwähnt habe, belegt, daß das Geld
dafür bestimmt war, daß sie für Zach sorgen und seinen Schutz gewährleisten
sollte.«
    »In diesem Fall würde jede Forderung
deinerseits an dieses Konto wahrscheinlich anerkannt werden.«
    »Okay, mein Honorar und meine Unkosten
sind also gedeckt. Aber gehen wir noch einen Schritt weiter: Mal angenommen,
Zach nimmt dich als Anwalt? Das können Kinder, ich weiß es noch von der Sache
mit Habiba letztes Frühjahr. Dann könntest du mich als sein Interessenvertreter
beauftragen, Seabrook zu finden.«
    »Wozu das, Shar? Ich berate Zach gern
umsonst.«
    »Aber wenn du mich mit den
Nachforschungen betraust, erstreckt sich das Anwaltsgeheimnis auch auf mich.
Und man könnte mich nicht zwingen, irgendwelche Fragen bezüglich der
Ermittlungen zu beantworten.«
    In Hanks Augen stand jetzt Besorgnis.
Er sah mich schweigend an. Die Sekunden schleppten sich dahin, bis ich mich
abwandte und an einem Schnappschuß von Rae und Ricky herumzuspielen begann, der
mit einem Magnetpin schief am Kühlschrank aufgehängt war. »Sag was!« rief ich
schließlich aus.
    »Bist du in Schwierigkeiten?«
    »...Nein.«
    »Rechnest du damit, in Schwierigkeiten
zu geraten?«
    »Vielleicht.«
    »Mein Rat lautet: Halt dich da raus.
Aber wann hast du schon jemals auf meinen Rat gehört.«
    »Äh, letztes Jahr, als du gesagt hast,
ich soll meine Dachrinnen und Fallrohre reinigen lassen?«
    »Siehst du? Eine beiläufige Bemerkung
bei einer Essenseinladung an einem verregneten Abend beherzigst du. Aber den
kostbaren juristischen Rat, den ich dir erteile, ignorierst du.«
    »Hank —«
    »Ich weiß — spar’s dir. Okay, ich muß
diesen Brief sehen, in dem es um das Geld und um John Seabrooks Gründe für die
Überweisung geht.«
    »Kannst du nicht mein Wort darauf
nehmen, daß er existiert?«
    »Nein, kann ich nicht. Steht in dem
Brief irgendwas, was ich nicht lesen soll?«
    Ich schwieg, versuchte mich an den
genauen Wortlaut zu erinnern.
    »Ach, um Himmels willen, mach mir
einfach eine Kopie und schwärze die betreffenden Stellen ein!«
    Ich nickte lächelnd.
    »Und jetzt würde ich vorschlagen, bevor
du mich endgültig in den Wahnsinn treibst, laß uns rübergehen und Zach fragen,
ob er mich überhaupt als seinen Anwalt will.«
    »Er will dich bestimmt. Habiba hat dich
das ganze Wochenende in den höchsten Tönen

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