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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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umzugucken.«
    »So läuft das wirklich?«
    »Und ob das so läuft.« Morlands Finger
um meine Hand waren starr, seine Augen jetzt hart und zornig.
    Ich sagte: »Sie scheinen ja ziemlich
desillusioniert, was das System betrifft.«
    »Mehr als desillusioniert. Das war ein
allmählicher Prozeß. Als ich zum FBI ging, war ich ziemlich naiv; ich konnte
mir nicht vorstellen, daß solche Deals stattfinden, und schon gar nicht, daß
das Justizministerium daran beteiligt ist. Später habe ich es dann mit
Rationalisierungen versucht: Politische Stabilität ist unerläßlich für das Wohl
der Nation, wir können nicht zulassen, daß der Ruf unserer höchsten
Mandatsträger Schaden nimmt. Na ja, nach einer Weile war mir klar, daß das
Selbstbetrug ist, aber ich habe mir immer noch gesagt: So funktioniert unser
System nun mal, es ist widerwärtig, aber es funktioniert.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt wissen Sie, warum ich mich von
Adah habe überreden lassen, Sie zu treffen. Es ist mir einfach alles
scheißegal. Ich bin ins Schleudern geraten und lege es drauf an, ganz aus der
Kurve zu fliegen.«
    »Warum?«
    Er sah weg, die Lippen aufeinandergepreßt.
»Da kommt vieles zusammen. Die Einzelheiten sind unwichtig.«
    »Liegt es unter anderem an diesem
ganzen Mist, der in Zusammenhang mit der Diplo-Bomber-Sache letztes Frühjahr
passiert ist?«
    »Ja, unter anderem.« Er sah mich wieder
an. »Genug über mich. Was wollen Sie noch?«
    »Wenn die Fullers tatsächlich im
Zeugenschutzprogramm wären, gäbe es dann irgendeine Möglichkeit, wie ich an die
Details herankommen könnte?«
    »Klar. Unser AD VT — automatisches
Datenverarbeitungs- und Telekommunikationssystem — ist nicht so sicher, wie es
sein sollte. Etwa eine halbe Million Insider haben Zugang dazu, und es gibt
immer jemanden, der Informationen mißbraucht, sei es aus Spaß oder aus
Profitgier. Oder um der alten Zeiten willen. Natürlich würden Sie und dieser
Insider eine kriminelle Handlung begehen.« Er stand schwankend an eben der
unsichtbaren Linie, die ich selbst schon so oft überschritten hatte. Einige
dieser Überschreitungen bereute ich, und ich brachte es nicht über mich, ihm
den Schubs zu geben, auf den er wartete.
    »Einen legalen Weg gibt es nicht?«
    »...Na ja, Sie könnten es vom anderen
Ende her aufrollen.«
    »Wie?«
    »Sie wissen, wann Marie Fuller
umgebracht wurde. Sie wissen, daß der Ehemann noch immer in Panik ist. Das
deutet darauf hin, daß er die Hauptzielscheibe war, der Zeuge. Wenn die
Bedrohung so schwerwiegend und langfristig ist, sollte es doch irgendwelche
öffentlich zugänglichen Informationen über die Umstände geben, aus denen sie
erwachsen ist.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen.«
    »Und ich verstehe, warum Sie mein
Angebot ablehnen. Es bleibt bestehen, falls der legale Weg nichts bringt. Aber
versuchen Sie’s erst mal vom anderen Ende her. Sie wissen ja, wie man das
macht.«
    Ich wußte es nicht genau — aber Mick
bestimmt.
     
     
     
     

1 2
    Dienstag morgen, San Francisco
     
    Alice, meine gescheckte Katze, rannte
vor mir die Eingangsstufen hinauf und kratzte wild an der Tür. Ich bemühte
mich, Hand- und Reisetasche im Griff zu behalten und gleichzeitig den Schlüssel
ins Schloß zu fummeln.
    »Keine Panik«, sagte ich. »Ich bin ja
da, es ist alles wieder gut.« Weder Alice noch ihr rotgetigerter Bruder Ralph
waren Nachtgeschöpfe, im Gegenteil, sie haßten es, nach Einbruch der Dunkelheit
noch draußen sein zu müssen. Ich war mir sicher, daß sie am Sonntag abend drin
gewesen waren, und ich hatte die kleine Tochter der Curleys von nebenan
angewiesen, sie in meiner Abwesenheit einzusperren, aber offenbar war doch
wenigstens eins der gerissenen Viecher entwischt — was es jetzt zutiefst
bereute. Graues Licht drang durch die Fenster von Wohn- und Gästezimmer und
vertrieb die Dunkelheit in der Diele. Ich stellte die Alarmanlage wieder an,
während Alice in die Küche flitzte — zweifellos zu ihrem Freßnapf. Gähnend
schleppte ich die Tasche, die ich unterwegs kein einziges Mal aufgemacht hatte,
zu meinem Schlafzimmer im hinteren Teil des Hauses.
    Eine Serie von Nachtflügen quer durch
die Staaten lag hinter mir — Bewegung war mir immer noch lieber gewesen als ein
Motelzimmer oder endlose Stunden auf dem Washingtoner Flughafen -, und ich
fühlte mich entsprechend zerknittert und fertig. Obwohl ich in den Fliegern
fest geschlafen hatte, hatte ich das Auschecken in San Francisco, den
Shuttle-Transfer zum Parkplatz und die

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