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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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war ein
Auftragsmord, und so klingt es auch tatsächlich, selbst die Presse hat das
angedeutet. Der Nachbar der Fullers sagt, sie hätten keine Freunde gehabt und
nie irgendeinen Verwandten in der Nähe erwähnt, aber dennoch konnte Ron die
Männer, die ihn und seinen Sohn dann wegbrachten, unmittelbar nach dem Mord auf
den Plan rufen.«
    Morland nickte, die Augen nachdenklich
zusammengekniffen. Ich fuhr fort: »Der Nachbar ging nach dem Mord zu Fullers
Haus hinüber. Er glaubt nicht, daß der Mann, der ihm die Tür öffnete, wirklich Fullers
Bruder war, sagt aber andererseits, er habe nicht das Gefühl gehabt, daß Fuller
und sein Sohn das Haus unter Zwang verließen. Für mich klingt das so, wie ich
mir vorstelle, was abgelaufen wäre, wenn die Familie im
Bundes-Zeugenschutzprogramm gewesen wäre.«
    »Ich hatte immer schon den Verdacht,
daß Sie eine überschäumende Phantasie haben.« Aber Craigs Lächeln drang nicht
bis in seine Augen.
    »Würde es so ablaufen?«
    »Könnte sein. Oder auch nicht.«
    »Haben Sie das auf der FBI-Akademie
gelernt — Fragen auf diese Art auszuweichen?«
    »Das ist, um ehrlich zu sein, eine
selbsterworbene Fähigkeit.« Er orderte gestikulierend noch einmal dasselbe für
uns beide — ein Hinhaltemanöver.
    Ich fragte: »Könnten Sie mein
Gedächtnis ein bißchen auffrischen, was das Zeugenschutzprogramm anbelangt?«
    »Wüßte nicht, was dagegen spricht.
Daraus machen wir kein Geheimnis.«
    »Ich habe die Bezeichnung
›Zeugenschutzprogramm‹ gehört, aber auch ›Zeugensicherheitsprogramm‹. Welche
ist richtig?«
    Er sagte achselzuckend: »Beide, schätze
ich. Ich habe schon Leute ›Sisek‹ sagen hören, was soviel heißt wie
›Sicherheitssektion‹. Aber sie nennen es auch Schutzprogramm, also können Sie
sich’s aussuchen.«
    Das war auch nur bei einer
Bundesbehörde möglich — daß die Leute, die für ein Programm verantwortlich
waren, sich nicht auf einen Namen dafür einigen konnten.
    Craig fuhr fort: »Es wurde Anfang der
siebziger Jahre eingerichtet, als Gemeinschaftsprojekt des FBI, der
Strafjustizbehörden und des Marshals Service. Die Marshals führen es durch.«
    »Und es ist in erster Linie für Leute
gedacht, die gegen Vertreter des organisierten Verbrechens aussagen?«
    »Ursprünglich war das der Zweck, ja.
Aber es sind auch Zeugen im Programm, die gegen nichtorganisierte Drogendealer,
Waffenschieber oder wen auch immer ausgesagt haben. Außerdem haben wir hier zu
Beginn der neunziger Jahre das Kurzzeit-Schutzprogramm eingerichtet, für
Zeugen, die nicht für immer untertauchen müssen. Und verschiedene andere
Unterbereiche — New York zum Beispiel — haben eigene Programme. Früher war
Zeugeneinschüchterung etwas, was sich auf die höheren Etagen des organisierten
Verbrechens beschränkte, aber inzwischen wird sie überall praktiziert, bis
runter zum kleinen Straßengangster. Niemand zögert mehr, einen Zeugen zu
beseitigen. Sie sehen also, ich weiche Ihrer Frage nicht wirklich aus, wenn ich
sage, Ihr Szenario könnte auf das Programm hindeuten oder auch nicht. Die Fullers
könnten unter dem Schutz verschiedenster Justizorgane gestanden haben — oder
auch unter gar keinem.«
    »Für wie wahrscheinlich halten Sie’s,
daß sie in irgendeinem Programm waren?«
    »Ich würde sagen, es kann durchaus
sein.«
    »Und wenn die Bedrohung schwerwiegender
und langfristiger Natur war, wäre es dann nicht logisch, daß der Marshals
Service die betreffende Institution war?«
    Er schwieg, während der Kellner unsere
Drinks brachte, und sah ihm erst noch eine Weile nach, ehe er antwortete. »Wie
kommen Sie auf schwerwiegend und langfristig?«
    »Weil Ron Fuller, unter anderem Namen,
über zehn Jahre später noch immer in Panik ist.«
    Morland zog eine Augenbraue hoch.
    »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.
Schweigepflicht — ich stehe im Auftrag eines Anwalts.«
    »Die Rechtmäßigkeit dieses Anspruchs
ist umstritten.«
    »Okay, vielleicht könnte man mich
zwingen, vor einem Geschworenengericht auszusagen, aber Ihnen oder
irgendwelchen anderen Polizeibeamten brauche ich keine Informationen zu
liefern.«
    »Es sei denn, Sie behindern laufende
Ermittlungen.«
    »Die gibt es meines Wissens nicht.«
    Er grinste skeptisch.
    »Okay«, sagte ich, erpicht darauf, von
dieser Schiene herunterzukommen, »Zeugen, die in das Bundesprogramm aufgenommen
werden, werden umgesiedelt und bekommen neue Jobs, neue Papiere und einen neuen
Namen?«
    »Auf behördlichem Weg.

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