Am Ende der Nacht
Unwetter
davonfliegen. «
» Was heißt ?«
» Daß er dumm oder überheblich war —
oder beides.«
»Sind Sie dumm oder überheblich?«
»Ich hoffe nicht.«
»Na, also. Wissen Sie, McCone, manche
Menschen schleppen ein ganz schönes Päckchen Angst mit sich herum, was das Fliegen
angeht, und wenn so was passiert, versuchen sie es einem aufzuhalsen. Dagegen
kann man nichts machen, aber man kann sich weigern, das Päckchen dieser Leute
mit an Bord seiner Maschine zu nehmen. Denken Sie sich das Cockpit als einen
besonderen Ort, wo Ihnen absolut niemand dazwischenfunken kann.«
»Hey, Sie versuchen ja gar nicht mehr,
mir auf den Schoß zu kriechen.«
»Nein.«
»Ganz schön starker Seitenwind. Wäre
Ihnen wohler, wenn ich beim Landen die Hände am Knüppel hätte?«
»Nein. Seitenwind hatte ich schon
öfters. Mit diesem hier kann ich es auch aufnehmen.«
» Ja, das können Sie. Und wenn wir
unten sind und Sie heimkommen, was machen Sie dann?«
»Diese sogenannte Freundin anrufen und
ihr sagen, sie soll sich verflixt noch mal um ihr eigenes Leben kümmern.«
Dritter Teil
28.
November — 1. Dezember
15
Freitag morgen, Fayetteville/Arkansas
Ich stieg wieder in meinen Mietwagen,
der vor dem Bundesgebäude in der East Mountain Street stand, und starrte
finster die strenge Fassade aus Granit und Glas empor. Gestern abend hatte ich
mir bei meiner einsamen Hilton-Zimmerservice-Version eines Thanksgiving-Mahls
einen genauen Aktionsplan zurechtgelegt, um mit einem Minimum an Zeitaufwand an
ein Maximum an Information zu kommen. Jetzt, um halb zehn Uhr morgens, schienen
sich sämtliche Umstände gegen mich verschworen zu haben.
Es war kalt, aber klar, und
Sonnenschein erhellte die hügeligen Straßen des Collegestädtchens. Fayetteville
war ein attraktiver Ort mit einem Gemisch aus altmodischen Holzschindelhäusern
und moderneren Bauten, und im Norden drängten sich die roten Backsteingebäude
der Universität von Arkansas. In der Nähe meines Hotels stand ein klassisches
altes Postamt — das mittlerweile ein Restaurant beherbergte — auf einem
rechteckigen Platz, auf allen vier Seiten von Häusern umschlossen, die wohl aus
der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts stammten und jetzt alle möglichen
schicken Läden beherbergten. So früh am Morgen nach dem Feiertag hatten sie
noch zu, und auf den Straßen zeigten sich kaum Menschen. Selbst in der
schäbigeren Gegend um das Gerichtsgebäude, wo es lauter Kautions- und
Anwaltsbüros gab, sah ich nur wenige Leute, mit hochgezogener Schulter gegen
den kalten Wind, zum Eingang des Gerichtsgebäudes eilen.
Durch eine dieser Türen war vor über zehn
Jahren ein Mann namens Ash Walker gegangen, und dort drinnen, im Büro des
Marshals Service, hatten er und seine Frau Andie Seite um Seite der
Einverständniserklärung für das Zeugenschutzprogramm studiert und mit ihren
Initialen abgezeichnet, ehe sie ihre wahre Identität für immer abgelegt hatten.
Ash Walker, der sich dann in Ron Fuller und später schließlich in John Seabrook
verwandelt hatte. Ash Walker, vormals Air-Force-Pilot, zu der Zeit Testpilot
bei Stirling Aviation — und ein Mann, der zuviel wußte.
Ich hatte mir gar nicht erst die Mühe
gemacht, beim Marshals Service vorbeizuschauen. Craig hatte mir alles
geliefert, was ich brauchte, und bei den Marshals wäre wohl sowieso niemand
bereit gewesen, mit mir zu reden. Aber ich hatte mit einem Bürohengst im
FBI-Trakt gesprochen und erfahren, daß FBI-Agenten, die umfangreiche
Ermittlungen gegen die Flugzeugwerke angestellt hatten, versetzt worden waren;
das FBI, so wurde mir erklärt, dürfe ihren jetzigen Aufenthaltsort nicht
preisgeben. Und wieder steckte ich in einer Sackgasse, es sei denn, ich
verfolgte Aktionsplan B.
Aus meiner Jackentasche zog ich einen
Zettel mit der Telefonnummer der Lokalredaktion der Arkansas Democrat
Gazette, wo Iona Fowler, die Ashs Zeugenauftritte bei einer Reihe von
Bundesgerichtsprozessen verfolgt hatte, als Reporterin tätig gewesen war. Ich
rief an, fragte nach Fowler und erfuhr, daß sie nicht mehr bei der Zeitung war.
»Sie lebt jetzt irgendwo droben bei
Berryville«, sagte der Mann am Apparat. »Hat eine Farm oder so was. Viel mehr
kann ich Ihnen nicht sagen.«
Ich bedankte mich, unterbrach die
Verbindung und nahm meine Karte hervor. Berryville lag etwa zehn Meilen östlich
des historischen Ozark-Städtchens Eureka Springs, nicht weit von der Grenze zu
Missouri. Eine Autostunde —
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