Am Ende der Nacht
einen kleinen Schmerzenslaut ausstieß. Diesmal
legte ich vor dem Piepton auf.
Die Boeing 757 dröhnte durch den
dunklen Abendhimmel zwischen Dallas und San Francisco. Ich lehnte mich in
meinen Sitz zurück und überdachte noch einmal meine heutigen Gespräche mit
ehemaligen Freunden und Bekannten von Duncan Stirling. Sie hatten mein Bild von
diesem Mann konkretisiert, aber dennoch ein seltsam unbefriedigtes Gefühl
hinterlassen: Ich durchschaute ihn immer noch nicht so recht und hatte keinen
Schimmer, wo er sich derzeit befinden mochte. Schließlich nahm ich meinen
Recorder heraus, setzte den Kopfhörer auf und ließ das Band noch mal ablaufen,
wobei ich zwischendurch vorspulte.
Emily Forrester, Ex-Freundin: »Das
erste halbe Jahr lief es toll zwischen uns. Dann fing Duncan an, mir angst zu
machen.«
»Inwiefern?«
»Na ja, wegen der Pistolen. Er hatte
auf einmal überall im Haus welche rumliegen, und sogar unterm Bett in meiner
Wohnung. Warum? habe ich ihn gefragt. Vorsicht, hat er gesagt. Paranoia, habe
ich gedacht.«
»Hat Ihnen sonst noch was angst
gemacht?«
»Dieses ewige Schweigen. Er konnte stundenlang
dasitzen und kein Wort reden, und manchmal hat er mich angestarrt wie... na ja,
als ob ich eine von den Skulpturen in seinem Wohnzimmer wäre und er überlegte,
ob er mich umstellen oder verkaufen soll oder... na ja, mich einfach mit raus
auf die Terrasse nehmen und kaputtschmeißen.«
Paul DeSoto, Ex-Pokerkumpan: »Klar hat
Dune gekokst — Gras geraucht auch. Tut das nicht jeder? Aber ich habe ihn nie
total zu gesehen. Nicht ein einziges Mal. Nicht drin. Daß Dune so komisch
getickt hat, war inwendig, nicht die Art Kaputtheit, die davon kommt, daß man
sich zuviel von irgendwas reingezogen hat.«
»Was meinen Sie mit ›inwendig‹?«
»Daß es was ist, was von ganz tief
drinnen kommt, mittenraus. Irgendwas war in dem Burschen verkorkst. Muß so
sein, damit einer das tut, was er getan hat.«
»Sie wußten, was bei Stirling lief?«
»Hab’s geahnt. Die meisten von uns
haben’s geahnt. Sogar die hiesige Polizei hat’s gewußt, aber nachdem der
Polizeichef versucht hatte, mit dem alten Stirling zu reden, und der ihn zum
Teufel geschickt hatte, da haben sie sich rausgehalten, wegen seinem
politischen Einfluß. Wenn die Staatspolizei nicht gewesen wäre, würde der olle
Dune vermutlich dort draußen immer noch seine Geschäfte durchziehen.«
»Haben Sie das mit den Morden auch
geahnt?«
»Sind Sie verrückt? Glauben Sie, ich
hätte dann noch mit ihm an einem Pokertisch sitzen können? Diese Cindy
Kershner, die, die ihn erpreßt haben soll, war echt ein nettes Mädchen. Ich
glaube, Dune hat sie aus dem Weg schaffen lassen, weil er sie satt hatte. Und
das ist das Letzte. Das Allerletzte.«
Tim McCorkle, ehemaliger
Stirling-Aviation-Konstrukteur: »Dune und ich waren vom Kindergarten bis zum
College zusammen. Er war immer so ein Goldjunge auf dem geraden Weg nach oben,
bis zum Sommer nach unserem Junior-Jahr an der Uni. Da hat er sich plötzlich
verändert.«
»Inwiefern?«
»Er ließ sich nicht mehr blicken, weder
im Country-Club noch auf Partys. Ich hörte damals, daß er jetzt mit solchen
harten Typen rumhing, in einer hiesigen Kneipe. Mit dem Studium war es genauso:
Er ist aus der Verbindung ausgestiegen, hat sich ein runtergekommenes Haus
gemietet, viel Zeit in Bars verbracht. Aber er hat nicht getrunken — jedenfalls
nicht viel. Einfach nur... ich weiß auch nicht. Die Atmosphäre in sich
aufsaugen wollen? Aber eins muß ich ihm lassen — seine Klausuren hat er immer
bestanden.«
»Und nach dem Studium ist er in die
Firma seines Vaters eingetreten?«
»Im selben Jahr wie ich. In die
Marketing-Abteilung. Er war gut, hatte das Zeug dazu, aber man hat gemerkt, daß
es ihn nicht wirklich interessiert. Ab und zu sind wir mal zusammen Mittagessen
gegangen, um der alten Zeiten willen, schätz ich. Dann hat er drüber geredet,
wie sehr er sich langweilt. Der Job sei ein Kinderspiel, er brauche eine echte
Herausforderung. Na ja, die hat er sich dann ja wohl auch gesucht.«
»Wußten Sie, was er tat?«
»Nein. Ich war einer der ersten, die
entlassen wurden. Dune kannte mich, verstehen Sie? Ich bin ein korrekter
Mensch. Meine Frau behauptet immer, ich wäre schon unglücklich, wenn sie der
Wäscherei nicht sagen würde, sie sollen meine Hemden extrasteif stärken.«
»Wie hat Duncan Ihre Entlassung
begründet?«
»Gar nicht. Er hat mir eiskalt in die
Augen geguckt und gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher