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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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haben. Na ja, warum sollte ich
mich nicht an Win Reades Rockschöße hängen? So läuft das nun mal in diesem
Land.«
    »O ja, so läuft es.« Ich trank meinen
Wein aus und stand auf. »Danke für Ihr Kommen, Mr. Franklin. Ich werde über Ihr
Angebot nachdenken.«
    »Eine sofortige Antwort wäre besser.«
    »Ich kann Ihnen keine geben. Ich habe
es mir zum Prinzip gemacht, Entscheidungen dieser Art zuerst mit Glenn Solomon
zu besprechen.«
    Das schmeckte Franklin gar nicht. Er
kannte Glenn vom Hörensagen — und mußte wissen, daß sie auf dem ethischen
Kompaß volle hundertachtzig Grad auseinanderlagen.
     
    Draußen vor dem Restaurant beschloß
ich, noch ein Stück zu gehen, um über das nachzudenken, was ich heute erfahren
hatte. Die Nacht war kalt und sternenklar; Wind fegte raschelnde Blätter über
den Asphalt. In der Ferne hörte ich Musik, klagende Steel-Guitar-Klänge. Ich
bog vom Postamtsplatz nach rechts in eine Straße ein, ging, die Hände in den
Jackentaschen, an den Schaufenstern vorbei, betrachtete die Auslagen und dachte
an meine lange Liste noch zu erwerbender Geschenke.
    War es möglich, daß Weihnachten dieses
Jahr kommen würde, wie es fast immer kam: als eine Welle hektischer Aktivität,
gefolgt von plötzlichem Frieden? Oder würde es mir gestohlen werden, wie
Thanksgiving? Was mir vor kurzem noch als ein Alptraum von Heiligabend
erschienen war, schien mir jetzt unendlich erstrebenswert: Familie, Freunde,
ja, sogar die ungezogensten und verstörtesten Little Savages waren genau das,
was ich brauchte — Schritte hinter mir, leicht auftretende Füße.
    Ich sah über die Schulter und erhaschte
gerade noch eine Bewegung, als ob sich jemand in einen Ladeneingang drückte.
Dann nichts mehr.
    Ich ging weiter, blieb ein paar Häuser
weiter vor einem Schaufenster mit einem eklektischen Sortiment an
Kunsthandwerksprodukten stehen. Gab vor, einen Karton mit vergoldeten Eiern zu
studieren, während ich den Gehweg im Augenwinkel behielt. Nichts rührte sich
mehr. Nach kurzem Abwarten ging ich leise weiter und lauschte. Die Schritte
setzten wieder ein.
    Schlampige Beschattung. Eindeutig ein
Amateur.
    Zu meiner Rechten waren rote
Samtvorhänge mit grünen Schleifen um einen Ladeneingang drapiert. Samtvorhänge
— und niemand hatte sie gestohlen. In San Francisco hätte ich ihnen höchstens
fünf Minuten gegeben. Ich warf einen Blick auf das Schaufenster daneben, sah in
der Scheibe die Spiegelung einer kräftigen Gestalt, die blitzschnell zwischen
zwei Häusern wegtauchte.
    Was jetzt, McCone? Stellen? Nein, du
bist einsfünfundsechzig, der oder die da ist mindestens einsfünfundachtzig und
nicht von Pappe. Laß dich nie in unbewaffnetem Zustand mit Leuten ein, die
stärker sind als du.
    Ich drehte um und ging in Richtung
Hotel. Den ganzen Weg dorthin hörte ich Schritte hinter mir. Einen halben Block
vor dem Hilton waren sie so plötzlich weg, wie sie aufgetaucht waren.
     
    Mein Zimmer war durchsucht worden.
    Nichts so Eklatantes wie das Chaos in
John Seabrooks Haus, aber subtile Spuren: der geöffnete Reißverschluß des
Kulturbeutels, den ich ins Bad gehängt hatte; die umgeschichteten Ordner in
meiner Aktenmappe, der leicht verschobene Kassettenstapel neben dem Recorder,
den ich oft als Einschlafhilfe benutzte. Kleinigkeiten, aber sie summierten
sich.
    Wer war das gewesen? Ein Laufbursche
von Stirling und Reade oder auch Franklin. Sie wollten mehr über mich
herausfinden, meine Story überprüfen. Und die Person, die sich am Postamtsplatz
an meine Fersen geheftet hatte? Jemand, der mit dem Schnüffler
zusammenarbeitete und mich überwachte.
    Ich kontrollierte rasch den Inhalt
meiner Aktenmappe: Es fehlte nichts, und alle Papiere, in denen John Seabrook
oder Matty namentlich genannt waren, hatte ich zu Hause gelassen. Die einzige
Akte, die ich dabei hatte, war die über Stirling Aviation, und die stützte nur
meine Geschichte. Nichts passiert.
    Aber die Entdeckung machte mich dennoch
nervös. Ich legte die Türkette vor, ehe ich mich ans Telefon setzte und bei mir
zu Hause anrief, in der Hoffnung, Hy zu erreichen, um mich mit ihm für den Flug
am Sonntag zum Bodega Head zu verabreden. Niemand da, nur meine eigene
Tonbandstimme. »Klappe, McCone«, sagte ich nach dem Piepton.
    Meine telefonische Suche nach Hy dehnte
sich erfolglos über die nächsten Minuten aus, und als ich auf seiner Ranch
anrief und nur seine Anrufbeantworteransage hörte, überkam mich ein so heftiges
Verlassenheitsgefühl, daß ich

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