Am Ende der Nacht

kein Geld von Mr. Stirling erhalten.«
    Er zögerte, und seine dunklen Augen
glitzerten, als sie kalkulierend hin und her zuckten. »Was dagegen, daß ich bei
Mr. Solomon rückfrage?«
    »Nur zu. Seine Kanzleinummer ist —«
    »Bei genauerer Überlegung ist das wohl
doch nicht nötig. Also, unterstellen wir mal, Sie könnten Duncan aufspüren und
zu Hause abliefern. Was sollte das irgendwem nützen?«
    »David Stirling —«
    »Ist ein Narr, wenn es um seinen Sohn
geht. Und Winthrop Reades Plan, Dune unter Verschluß zu halten, bis David tot
ist — also, das ist schlichtweg impraktikabel. Dune wird sofort in U-Haft
kommen, vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Und das wird David
umbringen, wenn es der Krebs bis dahin noch nicht getan hat.«
    »Sie wollen mir also die Sache
ausreden?«
    Franklin lehnte sich zurück und
musterte mich, während seine Finger rastlos an seinem Weinglas herumspielten.
»Keineswegs. Sehen Sie, wenn ich sage, Wins Plan ist impraktikabel, dann meine
ich damit, er wird das nicht hinkriegen. Er ist ein guter Mensch und ein guter
Firmenmanager, aber er... na ja, ich will das nicht weiter ausführen. Belassen
wir es dabei, daß ich die Dinge weit effektiver handhaben kann.«
    »Wie?«
    »Das geht Sie nichts an. Mein Vorschlag
ist folgender: Ich verdopple Ihr Honorar, wenn Sie Dune aufspüren, mich zu ihm
führen und alles Weitere mir überlassen.«
    »Was?« fragte ich.
    Wieder der sezierende Blick, diesmal
über seinen Brillenrand hinweg. »Ms. McCone«, sagte er nach einer kurzen Pause,
»vor zehn Jahren ist hier für viele Menschen eine Menge in die Brüche gegangen.
Zuerst hat Duncan Stirling Aviation zugrunde gerichtet. Arbeitsplätze gingen
verloren, Karrieren den Bach runter. Dann trat sein sogenannter Freund Ash
Walker« — er sagte den Namen wie ein Schimpfwort — »auf den Plan und ruinierte
noch mehr Menschenleben — die Zukunft von Leuten, die im Begriff waren, etwas
zu erreichen, etwas zu bewirken.«
    »Durch Drogen- und Waffenhandel — und
Mord?«
    Er machte eine wegwerfende
Handbewegung. »Diese Auftragsmordgeschichte, das war doch nur eine kleine
Facette dessen, was da geschah. Und der Rest — war unsere Regierung nicht auch
schon an ähnlichen Geschäften beteiligt? Nicht, daß ich billige, was passiert
ist«, fügte er rasch hinzu. »Ich versuche Ihnen lediglich klarzumachen, daß
durch Walkers panischen Versuch, seinen eigenen Kopf zu retten, ein paar
äußerst wertvolle Menschen in den Dreck gezogen wurden. Die Öffentlichkeit hört
gerade auf, uns mit haftbar zu machen.«
    Mir fiel ein, was Iona Fowler über
Franklins geplatzte Hoffnungen auf das Amt des Generalstaatsanwalts gesagt
hatte. Das »uns« war vermutlich kein Versprecher gewesen.
    »Und jetzt haben Sie Angst, wenn ich
Duncan herbeischaffe und er vor Gericht kommt, wird der ganze Dreck wieder
aufgewirbelt.«
    »Das wäre durchaus möglich.«
    »Na ja, ich nehme doch nicht an, daß
Walker wieder auftaucht, um auszusagen. Nach meinen Erkenntnissen ist er von
der Bildfläche verschwunden.«
    Franklins Blick ging jetzt in die
Ferne; vermutlich dachte er an die Szene auf dem Flugplatz von Los Alegres.
Nach kurzem Schweigen sagte er: »Nein, das nehme ich auch nicht an.«
    »Aber Sie haben mir immer noch nicht
beantwortet, wie Sie die Dinge zu handhaben gedenken, wenn ich Sie zu Duncan
führe.«
    »Nein, und ich sehe auch keine
Veranlassung dazu.«
    »Mir scheint, es gibt nur eins, was Sie
tun könnten: ihn umbringen.«
    Franklin fuhr zusammen und sah zu den
überwiegend freien Tischen um uns herum. »Guter Gott, sind Sie wahnsinnig? Und
sprechen Sie leise. Alles, was ich vorhabe, ist, Duncan irgendwohin zu
expedieren, wo er keinen weiteren Schaden anrichten kann.«
    »Wohin?«
    »So weit ist meine Planung noch nicht
gediehen.«
    »Das scheint mir alles sehr extrem, nur
um zu verhindern, daß er vor Gericht kommt.«
    »Sie begreifen nicht, was hier auf dem
Spiel steht, Ms. McCone. Zunächst mal ist Win Reade auf dem besten Weg, bei den
nächsten Wahlen in den Senat zu kommen. Er ist jung, energiegeladen, klug und
überaus charismatisch. Wir brauchen Führungspersönlichkeiten wie ihn, die es
ganz nach oben schaffen können.«
    »Ins Weiße Haus?«
    Er nickte.
    »Und Sie können sich alle an seine
Rockschöße hängen. ›Generalstaatsanwalt Calder Franklin‹, klingt hübsch, nicht
wahr?« Zu meinem Erstaunen zeigte er den Anflug eines Lächelns. »Ich dachte mir
schon, daß Sie sich über mich kundig gemacht