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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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dazu, heute hier zu stehen und auch noch den Mund aufzumachen? Aber ich
will euch was sagen, ich habe in dieser letzten Woche eine Menge gelernt. Ich
vermisse Matty. Ich geb’s zu. Sie hat mir auf die Zehen getreten, mich
gezwungen, der Wahrheit ins Gesicht zu gucken. Letzten Sommer zum Beispiel, da
bin ich bei den Abstellplätzen langgelaufen. In dem Moment kommt sie gerade mit
einem Flugschüler angerollt. Ich bin schlechter Laune, also sag ich mir, ich
hab’s nicht eilig, und versperre ihr den Weg. Und plötzlich rollt das Flugzeug
schneller, als ob es außer Kontrolle war, kommt direkt auf mich zu. Mann, bin
ich gerannt! Wie sie an mir vorbeirollt, seh ich, daß sie lacht. Sie steuert,
hat alles im Griff. Hinterher hab ich sie angebrüllt, und sie hat mir erklärt,
das sei die Strafe dafür gewesen, daß ich mich so arschlochhaft benommen hätte.
Na ja, und tief drinnen hab ich gewußt, daß sie recht hat.«
    Diesmal dehnte sich das Schweigen über
Minuten. Schließlich ergriff Jim Powell, Mattys Kunstfluglehrer, das Wort.
»Matty hat härter gearbeitet als sonst irgendwer von meinen Schülern, aber sie
hat’s auch verstanden, sich zu amüsieren. Sie hat die Pitts, auf der sie
gelernt hat, ganz weit hochgezogen und richtig einen draufgemacht. Sie hat mir
erzählt, daß sie laut lacht und mit der Maschine redet und sogar singt — was
sie nur dort oben getan hat, weil sie nicht singen konnte und sie da keiner
gehört hat. Ich bin kein gläubiger Mensch, aber ich stelle mir vor, daß Matty
jetzt irgendwo da oben ist und die tollsten Figuren fliegt und singt, daß die
Wolken wackeln.«
    Das war das perfekte Schlußwort. Nach
einer kurzen Schweigepause sagte Art Field, der Flugleiter: »Matty zu kennen
und mit ihr zu fliegen, war eine Freude, und sie selbst hat für Trübsalblasen
nie viel übrig gehabt. Also, wie wär’s, wenn wir die Sache jetzt in den Seven
Niner Diner verlagern? Das Bier geht auf mich.«
    Während die anderen schon den Pfad
hinaufstapften, drehte ich mich noch einmal zum Meer um. Möwen glitten durch
die Luft, in jenem freien, natürlichen Flug, den wir Menschen nur mühsam
imitieren können.
     
    »Sharon, kann ich Sie mal kurz
sprechen?« Steve Buchanan wartete auf der Terrasse des Diners auf mich.
    »Klar.« Ich bedeutete Hy und Zach,
schon mal reinzugehen, und folgte dem Mechaniker nach nebenan in die Werkstatt,
wo kleinere Flugzeuge in verschiedenen Zerlegungsstadien herumstanden. Als wir
eintraten, zog ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit einem feinen
Oberlippenbärtchen den Arm aus dem Motorraum einer Maschine und kam auf uns zu,
wobei er sich die schmierölverdreckten Finger am dunkelblauen Overall
abwischte. »Die Werkstatt hat am Sonntag offen?« fragte ich Steve.
    »Ja. Die Flugschüler kriegen eine
Schulmaschine nach der andern kaputt. Im Moment sind nur noch zwei flugtüchtig,
also müssen wir zusehen, daß wir die restlichen wieder hinkriegen. Das ist
Juan.«
    Ich streckte dem Mechaniker die Hand
hin, aber der wehrte ab und zeigte mir seine dreckigen Finger.
    »Erzähl ihr von Matty und dem Typ in
der Silver Ranger«, sagte Steve.
    Juan nickte. »Steve hat mir erzählt, daß
Sie nach diesen Männern gefragt haben, und da ist mir wieder eingefallen, daß
der Pilot eine ganze Weile mit Matty geredet hat.«
    »Nur der Pilot, der Passagier nicht?«
    »Nein, der Passagier war schon drüben
im Diner, als der Pilot die Ranger hier in die Werkstatt gebracht hat. Er hat
mit Steve geredet und ist dann auch in den Diner gegangen. Ein paar von den
anderen Jungs und ich, wir haben an einem von den Tischen draußen gegessen, und
Matty saß am Nebentisch, allein. Der Pilot ist bei ihr stehengeblieben, und sie
haben ein paar Minuten geredet, über ihre Maschinen und über die
Herstellerfirma.«
    »Was genau haben sie gesagt?«
    »Na ja, ich habe nicht so genau
hingehört, aber es ging um technische Daten und so was. Und dann hat der Typ
sie gefragt, ob sie von diesen dunklen Machenschaften wüßte, in die Stirling
Aviation verwickelt gewesen sei. Sie hat gesagt, klar wüßte sie davon, ein
Freund hätte ihr alles drüber erzählt, auch Einzelheiten, die nie an die
Öffentlichkeit gekommen seien. Das schien den Typen echt zu interessieren, aber
in dem Moment ist gerade jemand aus der Werkstatt gekommen und hat ihn gerufen.
Und ein paar Minuten später ist Matty dann auch gegangen.«
    Ich sah Steve an. »Daß der Pilot Sie
nach Matty ausgefragt hat — war das davor oder

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