Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
trinkt den Rest von ihrem Kaffee.
«Ja, Mama, ja … bin schon unterwegs … bringe ich mit, ja, ja, tschüs.»
«Mütter können ja so was von nerven», sagt Jill mit einem schiefen Grinsen.
Als Martha nach Hause kommt, hockt ihre Mutter im Wohnzimmer auf dem mittlerweile komplett fransenlosen Teppich – «Sieht doch besser aus, wenn alle ab sind» – und spielt mit Poppy Memory.
«Keine Chance», sagt sie und schaut zu Martha auf. «Sie gewinnt immer.»
Poppy hält stolz einen dicken Stapel Karten hoch. «Alles meins.»
«Kann ich dir was zeigen?» Martha zieht ihr Handy aus dem Rucksack und hält es ihrer Mutter vor die Nase. Die kneift die Augen zusammen. «Was ist das denn?»
«Mein Bühnenbild», sagt Martha stolz. «Das hab ich ganz allein gemacht, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie –»
Poppy reißt an Constanzes Ärmel. «Du musst weiterspielen!»
«Ja, ja, gleich.»
«Nicht gleich, jetzt!», schreit Poppy und bekommt einen roten Kopf.
«Ja, Poppy, ja, guck mal, ich glaub, ich hab ein Pärchen …», sagt Constanze und zu Martha: «Ich schau mir das später in aller Ruhe an. Ja, mein Schatz?»
Ohne eine Antwort greift Martha nach ihrem Rucksack und geht in ihr Zimmer. Sie hat es satt. Sie hat es so verdammt satt.
Auf dem Schreibtisch liegt ihr Hausaufgabenbuch. Sie schlägt es auf und nimmt einen Bleistift. Sie muss nicht erst nachschauen, ob Jill ihr den Link geschickt hat. Sie kann das Kleid aus dem Kopf zeichnen. Den unterhalb der Brust angesetzten Rock, die weißen Paspeln am Kragen und an den Ärmelaufschlägen. Es sieht brav aus und auch wieder nicht, vor allem sieht es nicht billig aus. Martha spuckt auf das Blau in ihrem Aquarellkasten und tupft dann mit dem Pinsel kleine Pünktchen auf. Ja, es ist das perfekte Kleid. Perfekt für die Rolle und perfekt für sie.
Die Tür öffnet sich. Ihre Mutter kommt herein.
Sie beugt sich über Marthas Schulter. «Das sieht ja reizend aus. Ist das dein Kleid als Stella?»
Immerhin weiß sie noch, welche Rolle Martha spielt.
«Ja, nein, das heißt, es könnte es sein, wenn –»
Martha dreht sich um. «Ich müsste es ersteigern, bei eBay, aber ich hab das noch nie gemacht.»
«Ich auch nicht», sagt Constanze. «Mir ist das irgendwie nicht ganz geheuer. Aber Johannes hat schon ganz oft etwas im Internet ersteigert. Sogar das Aquarium.»
Martha holt tief Luft. «Wann kommt er denn heute nach Hause?»
«Überhaupt nicht. Er hat Nachtdienst. Aber er hat seinen Laptop mit im Krankenhaus. Soll ich ihn fragen, ob er das Kleid für dich …?»
«Würde er das denn tun?»
«Zumindest könnte er es versuchen, vielleicht hat er ja eine ruhige Nacht.»
Martha überlegt. Eigentlich möchte sie von Johannes keine Gefälligkeiten annehmen, aber andererseits ist er ihr auch etwas schuldig. Schließlich hat seine Tochter den Teppich zerstört!
«Bitte, Mama, bitte frag ihn.»
Mitten in der Nacht wacht Martha auf. Die Leuchtziffern auf ihrem Wecker zeigen halb zwölf. Jetzt ist es passiert. Entweder hat sie das Kleid, oder sie hat es nicht.
Sie hatte Johannes den Link gemailt, und er hatte ihr geantwortet:
Werde mein Glück versuchen, hoffe nur, mir kommt kein Blinddarmdurchbruch dazwischen. Schlaf gut.
Schlaf gut. Sie kann bestimmt kein Auge mehr zutun, so aufgeregt ist sie. Sie klappt den Laptop auf. Das Kleid ist für 45 Euro weggegangen, aber an wen? Das steht da natürlich nicht.
Die Glatze hätte ihr doch sicher eine Mail geschickt, wenn es geklappt hätte, oder? In diesem Moment leuchtet das Briefkastensymbol auf. Enttäuscht stellt Martha fest, dass die Mail von Jill stammt.
Eins weiß ich jetzt: Don’t shit, where you eat!
Martha versteht nicht, was sie damit meint. Aber das wäre nicht das erste Mal, dass Jill ihr derartige Botschaften schickt. Fragt Martha dann nach, kommt nur: «Da musst du schon selbst draufkommen.» Sie wird Jill nicht danach fragen. Bestimmt hat der Spruch etwas mit Simon zu tun. Klingt jedenfalls nicht so, als wäre es ein gelungener Abend gewesen.
Martha stellt sich vor, wie sie in dem gepunkteten Kleid auf die Bühne tritt.
Millers Augen werden vor Erstaunen erst schmal, dann weiten sie sich, er sieht Martha an, als sähe er sie zum ersten Mal, als nähme er sie nicht länger als Schülerin wahr, sondern …
Nein, das will sie sich nicht weiter ausmalen, nachher hat es mit dem Kleid doch nicht geklappt.
Sie geht zurück ins Bett und kann nicht verhindern, dass ihre Gedanken sofort
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