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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwig
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beginnen.
    «Es ist gut, dass du gekommen bist, Martha», sagt Miller. «Sehr gut!» Er nimmt ihre Hände in seine Hände. Martha ist das unangenehm, denn ihre Hände sind eiskalt. Außerdem hätte sie gern eine Hand frei, um sich die Nase putzen zu können.
    «Du musst keine Angst haben, ich helfe dir.»
    «Sie helfen mir? Aber wie?»
    Eine Sirene heult auf. Martha zuckt erschrocken zusammen. Wieder dieses «Uhuhuhu», es kommt aus dem Flur. Miller erhebt sich mit einem gequälten Lächeln. «Entschuldigung, es dauert nicht lang.»
    Er geht aus dem Zimmer, Martha kann nur verstehen, dass er mit jemandem redet, aber nicht was, es klingt jedenfalls nicht sehr erfreut.
    Martha nutzt die Gelegenheit, um sich mit dem Ärmel über die Augen und die Nase zu wischen. Gut, dass sie keine Wimperntusche draufhat, das würde ja sonst super aussehen.
    Er kommt zurück. «Meine Mutter. Sie ruft mich mindestens zehnmal am Tag an, nur um mir mitzuteilen, dass es im Heim zu Mittag Königsberger Klopse gab oder dass Schwester Annegret ein unmögliches Parfüm benutzt.»
    «Und ich dachte schon –»
    «Du dachtest, da ist sie schon, die Polizei, was?» Miller grinst. «Der Handyton ist eine kleine Reminiszenz an New York, da hört man das Jaulen ja Tag und Nacht. Ich hab’s aufgenommen, bevor ich zurück nach Deutschland gekommen bin, und jetzt gehen jedes Mal die Sirenen los, wenn Mutti anruft.»
    «Man kann einen Klingelton wählen, je nachdem, wer anruft?», fragt Martha erstaunt.
    Miller legt sein Smartphone auf den Tisch. «Bisschen fies, ich weiß. Aber mit diesem kleinen Spielzeug hier war das ganz einfach.»
    «Jill hat auch so eins», sagt Martha mehr zu sich. Vielleicht hat Jill ja auch einen Extraton für Martha ausgewählt, vielleicht das Trampeln eines Elefanten. Das würde auch erklären, warum sie so oft nicht rangeht, wenn Martha anruft.
    «Du brauchst jetzt erst einmal ein Handy», sagt Miller.
    «Ich hab eins.»
    «Das glaub ich dir, aber du brauchst eins, um mit Homer Verbindung aufzunehmen.»
    Er spricht
Homer
englisch aus, das irritiert Martha, aber nur kurz. Auch aus ihrem Namen hatte er in der ersten Stunde ein «Marßa» gemacht.
    Miller geht zu einer wuchtigen Kommode, auf der ein Kerzenleuchter mit einer dicken, offensichtlich nie benutzten Kerze steht, und zieht eine Schublade auf. «Für diesen Zweck kannst du mein altes Mobile haben. Du musst dir morgen nur eine Prepaidkarte kaufen, und keiner kann dich zurückverfolgen.»
    «Und was soll ich damit machen?», fragt Martha.
    «Du schickst Homer eine SMS , in der steht, dass du für dein Schweigen … wie viel willst du überhaupt?»
    «Fünfzigtausend?»
    Miller kaut nachdenklich auf der Unterlippe. «Nein, nein, das ist zu viel. Außerdem wirst du Probleme haben, die Herkunft des Geldes zu erklären. Du kannst deiner Mutter ja schlecht fünfzigtausend Euro hinlegen und sagen: ‹Hier, die sind für eine neue Wohnung.›»
    «Aber das kann ich auch nicht mit vierzig- oder dreißigtausend. Sie wird immer wissen wollen, woher das Geld kommt», erwidert Martha. «Ich hatte daran gedacht, es in der Bank in ein Schließfach zu tun und dann den Schlüssel zu finden. In einem Buch meines Vaters zum Beispiel.»
    «Hm, keine schlechte Idee, aber ich glaube nicht, dass du so einfach ein Schließfach mieten kannst, du bist nicht volljährig.»
    Miller streicht sich eine widerspenstige Locke aus der Stirn. «Aber wenn ich dich vorhin richtig verstanden habe, dann ist das Hauptproblem, dass deine Mutter die Schulden deines Vater abbezahlen muss, oder? Wie hoch waren die noch mal?»
    «Zehntausend Euro.»
    «Gut, das lässt sich regeln. Du schaust in den Unterlagen deiner Mutter nach, auf welches Konto sie regelmäßig die Raten überweist, und dann machen wir eine Bareinzahlung.»
    «Wir?»
    «Wenn ein junges Mädchen mit zehntausend Euro zum Bankschalter geht, fällt das auf. Aber ich kann das Geld überweisen, und niemand wird erfahren, wer die Schulden bezahlt hat.»
    «Ich hab noch eine Idee!», ruft Martha. «Neulich kam Geld von einem Verlag, für den mein Vater ein Reisebuch geschrieben hat. Das waren zwar nur hundertzwanzig Euro, aber man könnte ja mehr überweisen und einen Verlag erfinden. Meine Mutter hat eh nie durchgeblickt, für wen mein Vater alles gearbeitet hat.»
    «Donnerwetter, du bist wirklich gerissen! Hätte nicht gedacht, dass hinter dieser unschuldigen Erscheinung so viel kriminelle Energie steckt.»
    Soll sie das als Kompliment auffassen

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