Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
allein. Aber es war so ganz anders, als sie es sich vorgestellt hat. Nicht dass sie erwartet hätte, alles würde genauso ablaufen wie in ihrer Phantasie, sie ist ja nicht blöd, aber dass es
so
sein würde … wenn sie nur an die Einrichtung denkt!
Es sind zwar nur die Möbel seiner Mutter, aber wie kann er damit leben? Gut, sie hat nur das Wohnzimmer und den Flur gesehen, sie war nicht im ersten Stock, nicht in seinem Arbeits- oder Schlafzimmer, wahrscheinlich sehen diese Räume ganz anders aus, nicht so … altbacken … so muffig. Irgendwie hatte Miller in dieser düsteren Umgebung etwas von seinem Glanz verloren, war ihr nicht mehr ganz so strahlend, so jung vorgekommen. Sie muss an die Kerze denken, die eingestaubt und nutzlos auf dem Tisch stand.
Martha wischt sich über die Augen, als wolle sie dieses Bild loswerden.
Doch es ist nicht nur dieses schreckliche Zimmer gewesen, das sie so gestört hat. Noch etwas hat nicht gestimmt, aber sie kann nicht sagen, was es war.
Martha, du bist oberflächlich!, ermahnt sie sich selbst. Ihr fällt Lukas ein, in den sie sich in der Sechsten verknallt hatte, aber nur so lange, bis sie bei ihm zu Hause gewesen war, um für eine Mathearbeit zu üben.
Sein Zimmer hatte ihr einen richtigen Schock versetzt. Überall standen He-Man-Figuren herum – das war nicht das Schlimmste gewesen, aber sie standen ordentlich in Reih und Glied und sahen aus, als würden sie dreimal am Tag abgestaubt. Und die entsprechenden Poster an der Wand waren nicht einfach angepinnt, sondern eingerahmt. Die Gästetoilette sah so sauber aus, das Martha sich kaum getraut hatte, sie zu benutzen. Der Klodeckel war mit einem erbsengrünen Flauschbezug versehen, die Gästehandtücher natürlich farbig darauf abgestimmt, sogar die Seife aus einem hygienischen Spender war grün.
Martha war mit einem neuen Verständnis von Mathe, aber ein für alle Mal entliebt nach Hause zurückgekommen.
Halt! Sie konnte doch Miller nicht mit Lukas vergleichen. In Alexander Miller ist sie nicht einfach nur verknallt. Sie liebt ihn. Wirklich. Wahrhaftig. Für einen Kuss von ihm würde sie Jahre ihres Lebens geben. Sie denkt daran, wie er ihre Hände in die seinen genommen hatte … und da ist es endlich wieder – das wohlige Prickeln unter der Haut!
«Ich heiße Alexander, aber das weißt du ja …»
«Ja, ich weiß, wie Sie … ich meine, wie du mit Vornamen heißt, Alexander», sagt sie. Und sie wiederholt es noch ein paarmal, leise und zärtlich: «Alexander, Alexander, Alexander.»
«Magst du meinen Namen?», fragt er.
«Ja, ich mag deinen Namen, und ich mag dich.»
«Du magst mich. Das ist schön, aber das reicht mir nicht.» Sein Blick scheint ihr Innerstes wie mit Röntgenstrahlen zu durchleuchten. Sie versucht gar nicht erst, ihre Gefühle zu verbergen.
«Du liebst mich, nicht wahr?»
«Ja, ich liebe dich. Ich habe dich von der ersten Sekunde an geliebt.»
Ein Geräusch lässt Martha hochschrecken. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss, Trampeln im Flur, und schon stürzt Poppy in ihr Zimmer und hält ihr ein Büschel feuchtes Laub unter die Nase.
«Riech mal, das ist der Herbst, hat Papa gesagt. Ich hab dir den Herbst mitgebracht! Jetzt musst du dich ganz doll freuen. Freust du dich, Maahta?»
25.
A m nächsten Morgen steht Martha erst auf, als alle schon aus dem Haus sind. Dabei war es gestern Abend zur Abwechslung mal ganz nett gewesen. Poppy war ziemlich früh eingeschlafen, wahrscheinlich erschöpft von der vielen frischen Luft, und Constanze, Johannes und sie hatten am Esstisch gesessen und Canasta gespielt. Martha hatte jedes Spiel gewonnen. Sie kann sich nicht erinnern, wann sie jemals so entspannt mit ihrer Mutter und der Glatze zusammengewesen war. Das lag bestimmt daran, dass sie sich die ganze Zeit sagen konnte: Es ist nicht mehr für lange. Bald sind wir hier weg!
Sie zieht Millers Handy aus ihrem Rucksack. Es ist dunkelgrün und sieht abgenutzt aus. Wen er damit wohl alles schon angerufen hat? Ihr fällt ein, dass sie in seinem Haus keinerlei Anzeichen einer Freundin bemerkt hatte. Er hat keine. Punkt. Denn wenn er eine hätte, wäre die bestimmt bei der Premiere von
Endstation Sehnsucht
aufgetaucht, um ihren Schatz auf der Bühne zu sehen. Sie muss daran denken, was er ihr von seinem Lampenfieber erzählt hat. Jetzt versteht sie auch, warum er so heftig auf die Filmerei von Jills Vater reagiert hatte. Wahrscheinlich hatte er befürchtet, beim nächsten Mal hängenzubleiben, denn
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