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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwig
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vertippt sich Martha vor Aufregung zuerst. Dann ertönt ein Freizeichen und schließlich Millers Stimme, allerdings nur vom Band. Der übliche Text. Zuerst auf Englisch, dann auf Deutsch. «Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Pfeifton.» Martha hinterlässt keine Nachricht, sie legt auf. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Etwa: «Hallo, hier ist Martha. Ich stecke in Schwierigkeiten. Ich bin nämlich Zeuge eines Mordes geworden, und jetzt will der Mörder, dass ich ihn anrufe»?
    Nein, sie muss direkt mit ihm sprechen. Unter vier Augen. Wenn er da ist, gut. Wenn nicht, auch. Dann wird sie versuchen, das Ganze zu vergessen.
    Aber wo wohnt Miller? Er hat es nie erwähnt, sonst hätte sie es sich bestimmt gemerkt. Ihr fällt ein, dass es im Internet eine Möglichkeit gibt, Telefonnummern zurückzuverfolgen. Jill hat das mal gemacht, als bei ihr zu Hause ständig jemand anrief und nichts sagte. Am Ende stellte sich heraus, dass es ein Mann aus dem Haus gegenüber war, der Jill mit dem Fernglas beobachtete. Sie hatte sich einen Vorhang angeschafft, und die Anrufe hatten aufgehört.
    Vielleicht hat Martha Glück, und sie findet auf diesem Wege Millers Adresse.
    Sie hat Glück. Unter der Telefonnummer ist eine Waltraud Miller in der Hanauer Straße  117 verzeichnet. Das muss Millers Mutter sein. Nur eine Frau jenseits der sechzig heißt noch Waltraud.
    Die Hanauer Straße ist ganz in der Nähe. Martha überlegt, ob sie laufen soll, aber schließlich holt sie doch ihr Rad aus dem Hof. Dann ist sie schnell wieder weg, falls sie es sich plötzlich anders überlegt.
    Auf der linken Seite der Hanauer Straße stehen Mietshäuser aus den 1960 er Jahren, auf der rechten, der zur S-Bahn zugewandten Seite, ältere Doppelhäuser mit spitzen Dächern. Vor einem der Häuser steht der metallicbraune Opel. Martha wundert sich ein wenig – hieß es nicht, Miller habe einen Autounfall gehabt? Der Wagen hat zwar ein paar Beulen im rechten Kotflügel, aber die sehen alt aus. Martha schließt ihr Rad an einer Laterne an. Dann öffnet sie das Gartentürchen und geht auf ein leuchtend blau gestrichenes Haus mit Sprossenfenstern zu. Mitten auf dem Weg steht ein Bobbycar. Verwirrt bleibt sie stehen, bis sie merkt, dass das Haus die Nummer  117 a trägt. Hier ist sie falsch, es muss das Haus daneben sein. Sie geht zurück auf die Straße. Das Nachbarhaus ist mit hässlichen Eternitplatten verkleidet und sieht so abweisend aus wie das andere einladend. Martha atmet tief durch und öffnet auch hier das Gartentor. Der Plattenweg führt zwischen verwahrlosten Beeten zu einer Haustür, die von einer riesigen Eibe halb verdeckt wird. Hier ist sie richtig.
    Auf einem angelaufenen Messingschild steht in Schnörkelbuchstaben
Miller
. Sie drückt auf den Klingelknopf darunter und spürt, wie sie am ganzen Körper zittert.
    Nichts passiert. Martha will schon wieder gehen, da wird mit einem Ruck die Tür aufgerissen. Vor ihr steht Miller in einem dunkelblauen Sweatshirt und ausgebleichten Jeans und sieht sehr überrascht aus. Immerhin nicht unangenehm überrascht.
    «Martha! Was machst du denn hier?»
    Martha versucht zu schlucken, ihre Kehle fühlt sich an wie Sandpapier. Sie muss husten.
    «Bitte entschuldigen Sie, Mister Miller. Aber ich habe ein Problem, und Sie sind der Einzige, mit dem ich darüber reden kann.»
    Es muss wohl so verzweifelt geklungen haben, dass er sie ins Haus bittet.
    Durch einen düsteren Flur geht er ihr voraus in ein Zimmer voll schwerer dunkler Möbel. Braune Schrankwand, braune Sessel, ein ebenfalls braunes Sofa, davor ein Couchtisch mit ockerfarbenen Fliesen. Auf den Fensterbrettern Keramikfiguren: Clowns und Katzen. Wie kann man bloß so wohnen?
    Miller scheint ihre Gedanken erraten zu haben, denn er sagt: «Das sind die Möbel meiner Mutter. Sie ist im Altersheim. Wird höchste Zeit, dass ich mal ausmiste. Hab bisher keine Zeit gehabt.»
    Er zeigt auf das Sofa. «Nimm doch Platz. Willst du was trinken?»
    Martha setzt sich. «Ein Glas Wasser bitte.»
    Miller verschwindet, und Martha sieht sich um. Das Einzige, was nicht aussieht wie Anno Pief, ist ein buntes Poster an der Tür, darauf der Kopf einer Comicfigur mit tellergroßen Augen und zwei Haaren auf der Glatze.
Simpsons – der Film
steht darüber. Martha hat ihn nicht gesehen, sie sieht sich auch die Zeichentrickfolgen nie an, die ständig im Fernsehen laufen. Sie fand die Simpsons noch nie komisch.
    Miller öffnet die Tür, und das Plakat verschwindet. Er

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