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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwig
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diesen Blackout hätte womöglich später die ganze Schule auf YouTube sehen und sich drüber amüsieren können.
     
    Im Supermarkt an der Ecke gibt es Prepaidkarten zu kaufen wie Milch oder Joghurt. Martha kauft sich eine für zehn Euro, das wird hoffentlich reichen. Sie hat nicht die Absicht, mit Homer länger zu kommunizieren als notwendig.
    Zurück in ihrem Zimmer, legt sie die Karte ein und befolgt die Anweisungen auf dem Kassenbon, das ist ja wirklich babyleicht.
    Jetzt muss sie nur noch eine Nachricht schreiben, am besten so kurz und knapp wie möglich:
Mein Schweigen kostet 25000
.
    Martha kommt sich vor wie in einem drittklassigen Krimi. Das Ganze ist so absurd, dass sie am liebsten lachen würde. Sie versteht gar nicht, wovor sie solche Angst hatte.
    Nun starrt sie auf Millers Handy, als erwarte sie, dass es gleich Geld ausspucken würde. Nichts passiert.
    Martha versucht sich vorstellen, was dieser Homer wohl gerade macht. Ob er sich wohl zitternd vor Angst irgendwo versteckt hält? In einem dunklen Kellerloch? Vielleicht sitzt er aber auch in einem schicken Loft, zieht sich gerade eine Linie Koks in die Nase und freut sich, dass er mit 25000 für einen Mord so billig wegkommt. Er? Martha versucht zum x-ten Mal, sich die Stimme in Erinnerung zu rufen, um zu entscheiden, ob es vielleicht doch eine Frau gewesen sein könnte, aber es gelingt ihr nicht. Die Stimme von Frau Dr. Dernburg dagegen, die hört sie noch, als stünde sie gerade neben ihr. Das liegt vielleicht daran, dass sie sie schon vorher gehört hatte, beim Grüßen auf der Treppe zum Beispiel. Plötzlich hat Martha das Gefühl, dass sie etwas übersehen hat, etwas Entscheidendes. Aber es ist wie mit diesen Träumen, die einem nach dem Aufwachen desto schneller entgleiten, je mehr man sie festhalten will.
    Eine Melodie ertönt, die Martha bekannt vorkommt, ein altmodischer Song, den ihre Mutter früher oft gehört hat.
    Sie hat eine SMS bekommen.
    So viel hab ich nicht.
    Dann wohl eher Kellerloch und Ratten statt Loft und Koks. Egal, sie wird doch nicht mit einem Mörder handeln.
    Dann müssen Sie es sich eben beschaffen
, simst Martha und kommt sich sehr verwegen vor.
    Aber nicht lange, denn es kommt keine Antwort. Homer schweigt.
    Martha kann sich auf nichts konzentrieren, ständig starrt sie das Handy an. Nimmt es sogar mit aufs Klo, um keine SMS zu verpassen. Nichts.
    Vielleicht ist dieser Homer auch nur jemand, der sich einen Spaß mit ihr erlaubt hat. Nachher postet er ihren Mail- und SMS -Wechsel auf Facebook, und alle lachen sich kaputt über Godzilla, der glaubte, einen Mörder erpressen zu können.
     
    Als ihre Mutter am Nachmittag mit Poppy vom Kindergarten kommt, bietet sich Martha freiwillig an, mit dem Monster auf den Spielplatz zu gehen. Wieder ist ein schöner Tag, der Park ist voller Menschen, die sich über den späten Sommer freuen und ihn genießen. Nur Martha hat nichts davon. Wenn sie erst mal das Geld hat, kann sie ihre Mutter vielleicht überreden, mit ihr übers Wochenende an die Ostsee zu fahren. Vielleicht leiht ihnen Johannes ja sein Auto. Doch daraus wird bestimmt nichts. Entweder hat Johannes Nachtdienst oder muss schlafen oder sonst was tun, das ihn daran hindert, sich um seine Brut zu kümmern.
    Auf dem Spielplatz verschwindet Poppy gleich in der Lokomotive, Martha schlägt eine
Gala
auf, blättert unschlüssig darin herum und schlägt sie wieder zu. Immer wieder schaut sie auf das Display des Handys. Inzwischen weiß sie, woher die Melodie stammt. Es ist ein Song von den Carpenters und heißt
Close to you
. Sie hat ihn auf einer CD mit Hits aus den 1970 er Jahren gefunden und seither immer wieder gehört.
    Close to you.
Martha denkt daran, dass sie Miller körperlich noch nie so nah war wie gestern, und doch hat sie sich ihm in mancher Englischstunde schon näher gefühlt. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie gestern nicht über Gefühle, sondern über einen Mord geredet haben.
    Poppy hockt daumenlutschend in der Lok, und Martha starrt Löcher in die Luft. Um sie herum wuseln Kinder und ihre Mütter, die sich über ökologisch korrekte Windeln, gesunden Babybrei oder den Autositz mit der besten Bewertung austauschen.
    «Das ist doch nicht dein Ernst, dass du Loredana diese Supermarktwindeln umschnallst!», kreischt eine Frau mit hennaroten Schnittlauchhaaren gerade. «Du musst Schafwollhosen nehmen, die werden einfach nur ausgeklopft.»
    Martha sieht Poppys Unterhose vor sich, als sie das letzte Mal

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