Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
reingemacht hatte. Ausklopfen, schön wär’s!
«Aber Loredana ist allergisch gegen Lanolin, da geht Wolle ja gar nicht!»
Hilfe! Martha möchte nie im Leben Kinder haben, was für ein Albtraum.
Poppy kriecht aus der Lok. «Will nach Hause», nuschelt sie. Ihr Gesicht ist blass, nur die Wangen sind gerötet, es sieht aus, als wären sie mit roten Pünktchen übersät. Martha fasst ihr an die Stirn. Sie ist glühend heiß. Unglaublich, wie schnell die in diesem Alter Fieber bekommen. Von einer Sekunde auf die andere.
Die hennarote Mutter rückt von Martha ab. «Deine Schwester hat Scharlach, seh ich sofort. Die muss zum Arzt.»
«Cyrill, Loredana, kommt her, wir gehen!», ruft die andere Mutter. Wie aufgeregte Glucken scheuchen die beiden ihre Küken vom Spielplatz.
Poppy sagt kein Wort, sie sieht Martha aus übernatürlich großen, fiebrig glänzenden Augen an. «Kann nich schlucken.»
Vielleicht haben diese Übermütter ja recht, und Poppy hat Scharlach. Ist das etwa ansteckend? Martha kann es sich jetzt nicht leisten, krank zu werden.
«Komm, Penelope, wir gehen. Kannst du laufen?»
Poppy nickt, doch nach ein paar Metern bleibt sie stehen und schüttelt den Kopf. «Kann nich laufen.»
«Wir machen huckepack.» Martha bückt sich, damit Poppy sich auf ihren Rücken setzen kann.
Mein Gott, ist die schwer. Martha hat das Gefühl, dass sie gleich zusammenbricht. Wie blöd von ihrer Mutter, dass sie Poppys Buggy kurz nach ihrem Einzug bei Johannes irgendeinem Kirchenbasar gespendet hatte. Jetzt hätte sie ihn gut gebrauchen können. Sie setzt Poppy ab. «Du musst laufen, Poppy. Ich kann dich nicht mehr tragen.»
Die Kleine sieht aus, als ob sie jeden Moment umkippt, und eben war sie noch quietschfidel.
Es dauert gefühlt Stunden, bis sie zu Hause ankommen.
«Ach du meine Güte!», ruft Constanze, als sie Poppy sieht. «Bitte nicht schon wieder Scharlach.»
Martha ist einerseits froh, dass sie das kranke Kind ihrer Mutter übergeben kann, aber andererseits auch eifersüchtig.
Sie sitzt in der Küche, trinkt Tee und schaut zu, wie Constanze hin und her läuft, Handtücher auswringt, um Wadenwickel zu machen, und tröstend auf Poppy einredet, die jetzt laut heult.
«Rufst du bitte Johannes im Krankenhaus an, Martha? Sag ihm, Poppy hat Scharlach, er soll ein Antibiotikum mitbringen.»
«Ich?»
«Seine Nummer ist eingespeichert. Bitte, Martha.»
Aus dem Kinderzimmer sind würgende Geräusche zu hören. Jetzt kotzt sie wieder, na toll.
Martha nimmt das Telefon und sucht die richtige Nummer. Da ist sie:
Johannes Klinik
steht da. Es läutet lange, schließlich ertönt ein abgehetztes «Was ist denn, Connie?»
«Hier ist Martha, meine Mutter sagt, Poppy hat Scharlach und du sollst –»
«Alles klar, ich versuche, früher nach Hause zu kommen.» Dann fügt er noch ein hastiges «Danke» hinzu und legt auf.
Martha geht zu Poppys Zimmer und bleibt in der Tür stehen, es riecht nicht gut. Constanze ist dabei, das Bett abzuziehen, während Poppy auf dem Boden sitzt und würgt.
«Bring bitte einen Eimer, schnell!», ruft ihre Mutter.
Martha läuft zurück zur Küche, weiß nicht, wo ein Eimer ist, und kommt mit der Salatschüssel. Sie hält sie der Kleinen unter die Nase. «Spuck da rein, Poppy.» In einem Schwall erbricht sich das Kind in die Schüssel, und Martha fühlt, wie Übelkeit in ihr aufsteigt.
«Hilf mir doch mal mit dem Bettzeug!»
Constanze drückt ihr einen Klumpen feuchter Laken und Decken in den Arm. Martha läuft aus dem Zimmer und stopft das ekelerregende Bündel in die Tonne mit der Schmutzwäsche. Dann greift sie nach ihrer Jacke und verlässt die Wohnung. Sie muss an die frische Luft!
Sie atmet ein paarmal tief ein und aus. Es dauert eine Weile, bis sie den süßlich stechenden Geruch von Erbrochenem aus der Nase bekommt.
«Close to you» dudelt es in ihrer Jackentasche. Sie zieht das Handy heraus.
Mittwoch hab ich das Geld. Wann und wo soll die Übergabe stattfinden?
Mist! Darüber hat Martha sich überhaupt keine Gedanken gemacht. Natürlich hat sie Krimis gesehen, in denen ein Geldsack aus dem fahrenden Zug geworfen wurde oder eine Tasche voller Scheine ganz unauffällig in einem Café deponiert wurde, um gegen eine gleich aussehende, aber leere Tasche ausgetauscht zu werden. Zu solchen Aktionen fühlt sie sich nicht in der Lage. Niemals!
Aber irgendwie muss die Geldübergabe ja stattfinden. Allein schon der Gedanke, dass sich der Mörder in ihrer Nähe befinden könnte,
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