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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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um etwa die Hälfte reduziert, doch anstatt lokale Angloholzfäller zu verprellen, gehen die Haida mit ihnen Verbindungen ein. Die Angloeinwohner von Haida Gwaii stehen seit Generationen in den vordersten Reihen der Holz- und Fischindustrie und machen sich kaum Illusionen, was die erklärten guten Absichten der mächtigen Konzerne von jenseits der Inseln betrifft. Im Gegensatz zu vielen anderen Holzfällern, die auf abgelegene Inseln fliegen und wieder verschwinden, sobald es keine Bäume mehr gibt, sind die meisten Einwohner dieser so abseits, aber eng zusammenliegenden Inseln auf Dauer gekommen. Und wo hin sonst sollten sie auch gehen? Im Jahr 2004 schlossen sich die Angloeinwohner von New Masset und Port Clements dem Schicksal der Haida an: Sie unterzeichneten eine Übereinkunft mit der Kernaussage, der Verwaltung durch die lokalen Haida größeres Vertrauen zu schenken als der durch Weyerhaeuser und durch die Provinzregierung. Das ist, genau wie die Konsultationsklausel, einmalig in der Geschichte Nordamerikas. Einer der Unterzeichner ist Dale Lore, ehemaliger Bürgermeister von Port Clements. Beruflich dem Bauen von Holztransportstraßen verpflichtet, hatte er, wie viele andere auch, ein Aha-Erlebnis im Wald. »Ich habe als einfacher Holzfäller angefangen«, erzählte er einem Journalisten kurz nach der Unterzeichnung des Protokolls zur Bestätigung der Haida-Rechte an den Inseln im März 2004. »Wissen Sie, wie man das Bild eines Kahlschlags aus dem Kopf kriegt? Man spricht über Jobs und dass alles nachwachsen wird …« Doch dieselben Fragen, die auch Hadwin quälten, kamen immer wieder hoch: »Was haben wir davon, was tun wir für die Zukunft?«, fragte er sich. »Gegen das Bild kann ich ankämpfen, gegen das Schlusswort nicht.« Es gibt eine starke lokale Opposition gegen die Rechtsansprüche der Haida, besonders in Queen Charlotte City, dem administrativen Dreh- und Angelpunkt der Inseln. »Es ist nicht so einfach«, so Lore verständnisvoll, »das Unbekannte macht Angst.« Aber abschließend sagte er etwas, das wie eine Seite aus Hadwins Buch klingt: »Das hier passiert, weil der Status quo für uns offensichtlich verheerend ist. Menschen ändern sich nicht aus freien Stücken.« ********
    Das Schicksal der Haida Gwaii steht für das Schicksal der gesamten Nordwestküste, und eine der außergewöhnlichsten Eigenschaften dieser Inseln – und weiter Teile des nordamerikanischen Festlands – ist ihre Fähigkeit, ange sichts der missbräuchlichen Ausbeutung nicht nachtragend zu sein. Anders als die verwüsteten Landstriche des Nahen Ostens verfügt dieser Kontinent – bislang zumindest – über eine enorme Regenerationsfähigkeit. Erstaunlicherweise haben sich in Neuengland, der Wiege der nordamerikanischen Holzindustrie, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Farmern aufgegebenen Felder zum ersten Mal seit Jahrhunderten wieder in bewaldete Flächen verwandelt. In weiten Teilen der Region war die lokale Fauna seit Langem auf einen vorstädtischen Streichelzoo aus Eichhörnchen, Streifenhörnchen, Igeln und Waschbären reduziert gewesen. Vor dreißig Jahren waren sogar Wild und Fuchs noch Novitäten. Doch über die letzten Jahrzehnte hat sich alles geändert: Mit der Wiederauferstehung der Wälder, begleitet von einem Rückgang der Jagd, sind vor langer Zeit verbannte Spezies zaghaft zurückgekehrt. Kojote, Biber und Truthahn sind heute wieder ein gewohnter Anblick, der Adler ist wieder da, und es hat eine sorgfältig dokumentierte Explosion der Wildbestands gegeben (wodurch aber wiederum einheimische Pflanzenarten bedroht sind). Sollte dieser Trend anhalten dürfen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Schwarzbär, Rotluchs, Puma und Wolf ihre angestammten Plätze im lange manipulierten Ökosystem von Neuengland zurückfordern. Anders sieht es für die Flüsse des Nordwestens aus: Die Population des atlantischen Lachses in seiner wilden Form ist in den letzten zwanzig Jahren um fast fünfundsiebzig Prozent zurückgegangen. Heute existiert die Spezies in erster Linie als gezüchtete Karikatur ihrer selbst, deren Fleisch rosa gefärbt werden muss, um echt auszusehen.
    Fünftausendsechshundert Kilometer weiter, am ander en Ende des Holzfällerkontinuums, sehen sich die Haida Gwaii mit einem weit komplexeren Genesungsverlauf konfrontiert. Während die Anglobevölkerung im letzten Jahrzehnt aufgrund des Verlusts von Jobs in der Fisch- und Holzindustrie um mehr als zehn Prozent zurückgegangen ist,

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