Am Ende der Wildnis
Unterlippe randvoll mit Copenhagen-Kautabak und ein beängstigendes Fassungsvermögen, was Alkohol betraf.
So dramatisch seine Verwandlung auch erschien, war sie weniger eine Reaktion als vielmehr die natürliche Entwicklung einer Person, der endlich gestattet ist, ihren natürli chen Impulsen zu folgen. Während seine Klassenkameraden an der Highschool Autorennen fuhren und den Mädchen nachstellten, baute Grant eine Hütte und stromerte durch die Berge, die sich hinter dem Heim seiner Familie in West Vancouver erhoben. Nur wenige Menschen bekamen die Gelegenheit, Grant wirklich kennenzulernen, denn er schien ständig in Bewegung zu sein. Einer seiner wenigen Highschool-Freunde starb jung durch einen Motorradunfall. Andere Klassenkameraden erinnern sich an Grant als einen Einzelgänger mit eigenem Kopf. »Er war tiefgründig«, erinnerte sich Truls Skogland, der Grant als Fünf zehnjährigen kannte, »nicht negativ – er besaß eben Seele.« Skogland und andere kannten ihn als talentierten Tennis- und Rugbyspieler und Ass beim Pegboard-Klettern. Obwohl er offensichtlich mehr für Berge übrig hatte als für Menschen, zeigte sich Grant entwaffnend höflich und wortgewandt. Barbara Johnson, seine Tante väterlicherseits, erinnert sich, dass ihr junger Neffe »… ein wunderbares Benehmen an den Tag legte. Er war sehr selbstsicher und so höflich und nett.« Wenn eine erfolgreiche Erziehung an guten Manieren und höflichem Verhalten gemessen wird, dann hatten sich Grants frühe Jahre im Internat wahrlich bezahlt gemacht: »Er besaß ein überaus geschliffenes Auftreten«, sagte ein anderer Klassenkamerad. »Er wäre für eine Audienz bei der Queen gewappnet gewesen.«
Tom Hadwin, Grants Vater, hatte im Fach Elektrotechnik das Studienprogramm an der University of British Columbia als Bester abgeschlossen, war anschließend Oberingenieur geworden und hatte sein Leben lang als Angestellter bei BC Hydro gearbeitet, dem größten Stromversorger der Provinz. »Mit Tom Hadwin war kein Disput je zu gewinnen«, erinnerte sich ein Angestellter. Tom Hadwin war ein völlig anderer Mann als Angus Monk: Wo Tom engstirnig war, auf Titel bedacht und kopfgesteuert, zeigte sich Angus extrovertiert, großzügig, respektlos und kraftstrotzend. Grant liebte ihn, und verglichen mit der erstickenden Atmosphäre in Heim und Schule wirkte Angus wie eine Sauerstoffdusche. Doch obwohl er seinen Onkel und das von ihm repräsentierte Leben anhimmelte, war er entsetzt über das, was er mit ansehen musste. Von Anfang an entging ihm nicht, welchen faustischen Pakt die meisten Holzfäller zu schließen gezwungen waren. Nach einem frühen Arbeitseinsatz bei seinem Onkel kehrte Grant kurz nach West Vancouver zurück, wo er seine Tante Barbara besuchte, die zu den wenigen Familienmitgliedern gehörte, mit denen er in Verbindung geblieben war. Nach ihren Aussagen war Grant erschüttert über die Zerstörung, die von der Holzfällerei verursacht wurde. Damals war er erst siebzehn, als er ihr die Techniken des Holzeinschlags beschrieb, mit denen die Berghänge so kahl geschlagen wurden, dass nur noch bloßer Fels übrig blieb. »Dort wird niemals wieder etwas wachsen«, sagte er ihr.
Sich darüber Gedanken zu machen war im Jahr 1967 für einen Teenager aus Vancouver ungewöhnlich, besonders für einen von Grants Herkunft. Die Holzindustrie bildete buchstäblich das Fundament der Stadt, und die meisten Menschen waren ihr weiterhin verbunden – wenn nicht direkt, dann über Familienmitglieder und Freunde. Aber allmählich veränderten sich die Dinge in der schläfrigen grünen Holzfällerstadt. Schon bald nachdem Grant seiner Tante von seinem Beobachtungen auf der Nordseite der English Bay berichtet hatte, entstand aus kleinen Anfängen auf der Südseite, nicht mehr als zehn Kilometer entfernt, eine Organisation, die sich einen trügerisch kanadischen Namen gab: Don’t Make a Wave Committee. Der erwies sich als wirklich unpassend, und 1970 taufte man sich um – in Greenpeace.
Als Grant dazustieß, hatte sich die Holzfällerei an der West Coast in all ihren Erscheinungsformen ein für alle Mal verändert. Das leise Geräusch des mit Holz beheizten Boilers war durch das Dröhnen des Dieselmotors ersetzt worden, und das Zeitalter der Langholzlaster, mit denen die meisten von uns heutzutage vertraut sind, war im Aufstieg begriffen. Und doch, so hoch entwickelt die Industrie im Hinblick auf die Mechanisierung war, zeigte sie sich so gut wie ignorant, was
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