Am Ende der Wildnis
gestorben, entweder schon beim Zusammenprall oder später an Unterkühlung. Coras Fußgelenke mussten mithilfe von Schrauben und Platten zusammengeflickt werden, und seitdem ist sie auf einen Gehwagen angewiesen. Hadwin besuchte sie jeden Tag im Krankenhaus, bis er sich zwei Wochen später, am 12. Januar 1997, auf den Weg nach Haida Gwaii machte. »Ich habe mich schon oft gefragt, ob Grant uns beide umbringen wollte«, sagte sie, »damit er nicht allein sein musste.«
Auf Haida Gwaii angekommen, machte Hadwin eindeutig den Eindruck, auf einer Reise ohne Rückkehr zu sein. Während seines Aufenthalts in einem Motel im dünn besiedelten Norden von Graham Island gab er seinen gesamten Besitz weg, darunter auch Dinge, die seinem Vater gehört hatten. »Nimm, was immer du willst«, sagte er zu Jennifer Wilson, der zwanzig Jahre alten Tochter des Motelmanagers, »denn den Rest werde ich verbrennen.« Hadwin ließ sich ausführlich über Akademiker aus und bezeichnete sie als »inzestuöse Brut hinterhältiger Manipulanten«. Laut Wilson plädierte er für Terrorismus als bestes Mittel, um Veränderungen zu erreichen, und er sprach viel über Bäume. »Ich lernte von ihm eine Menge über den Wald«, erinnerte sie sich. »Er wirkte so voller Leidenschaft – als habe er vor, etwas Gutes zu tun. Er schien mir seine Bestimmung gefunden zu haben.« Einmal besuchten Jennifer und Grant gemeinsam die goldene Fichte. Für andere mögen sie dabei ein schönes und romantisches Bild abgegeben haben: ein attraktiver, jugendlich wirkender Mann und seine attraktive blonde Begleitung, beide eindeutig am wilden westlichen Rand des Kontinents zu Hause. Grant trug eine Kamera bei sich und bat Jennifer, ein Foto von ihm zu machen, auf dem die golden Fichte über ihm emporragt. In seiner Hand hält er eine perlenbesetzte Adlerfeder, das Geschenk eines Stammesältesten.
Nachdem er einen Benzinkanister, Fällkeile und eine erstklassige Stihl-Kettensäge gekauft hatte, zog Hadwin weiter nach Port Clements, wo er in das Golden Spruce Motel eincheckte. Als Jennifer Wilson ihn zum letzten Mal sah, trug er Ohrstöpsel. Er müsse sie tragen, sagte er ihr, weil jedes Wort, das er höre, sich wie eine persönliche Beleidigung anfühle. Hadwin hatte auf seine Reise Medikamente mitgenommen, doch es steht wohl fest, dass sie zu diesem Zeitpunkt entweder aufgebraucht waren oder er sie einfach nicht mehr einnahm.
Hadwin hatte seinen Honda nach dem Totalschaden ersetzt und fuhr am Abend des 20. Januar 1997 zum Ausgangspunkt von MacMillan Bloedels Golden Spruce Trail. Nachdem er Säge, Keile, Benzin und Öl und vermutlich auch seine Kleidung in aufgeblasenen Müllsäcken verstaut hatte, trug er diese den kurzen Pfad hinunter und begann, das steile Ufer des Yakoun hinunterzuklettern. Dieser zwanzig Meter breite Fluss friert gelegentlich zu, war jetzt aber offen und floss schneller als gewöhnlich, da er aufgrund des Winterregens sehr viel Wasser führte. Die Temperatur betrug fast null Grad, als Hadwin in die Strömung glitt und, sein Gepäck hinter sich her ziehend, den Fluss durchschwamm. Das andere Ufer war gleichermaßen steil und rutschig, und es wird ihn einige Mühe gekostet haben, sich selbst und seine Sachen in den Wald hinaufzuschaffen, erst recht bei völliger Dunkelheit. Im Umkreis von Meilen wäre keine Menschenseele zu finden gewesen, und wie gewöhn lich ballten sich die Wolken tief über den Inseln, sodass alles in einem Miasma aus Dunst und Nebel lag. Sollte es irgendeine Lichtquelle gegeben haben, dann hatte Hadwin sie mitgebracht. Der Baum stand nur ein Stück vom Ufer entfernt, wie schon die drei Jahrhunderte zuvor. Er wird in der Schwärze der Nacht eine bedrohliche Präsenz gehabt haben – seine goldene Eigenart unsichtbar in unendlich feuchte Finsternis gehüllt.
Hadwin hatte in seinem Leben schon Hunderte Bäume gefällt, aber noch nie einen von solcher Statur. Die goldene Fichte erreichte an ihrem Fuß einen Durchmesser von mehr als zwei Metern, und Bäume dieser Größe sind in der Gegend von Gold Bridge oder anderswo im Landesinneren selten zu finden. Für die Insel jedoch war er ein durchschnittlich großer Baum. An der Küste stehen noch Exemplare der Sitka-Fichte mit einem Durchmesser von vier einhalb Metern, und im Yakoun Valley sollen sogar noch größere entdeckt worden sein. Genau wie Redwood und Red Cedar bilden auch große Sitka-Fichten häufig Brettwurzeln aus, dicke Rippen, die fächerartig vom Stamm abgehen und dem
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