Am Ende der Wildnis
unbekümmerten Umgang mit kleineren Bäumen. Ein Fäller namens Hal Beek musste das auf die denkbar schlimmste Weise am eigenen Leib erfahren, als er 1998 an der Westküste von Vancouver Island ein vorgegebenes Gebiet bearbeitete. Anders als Plantagen mit nachgewachsenem Wald, in denen gewöhnlich Monokultur herrscht und die Bäume sämtlich gleich alt sind, enthalten die meisten Altbestände Bäume jeden Lebensalters, und zwischen den Giganten wachsen andere aufstrebende Konkurrenten der verschiedensten Größen, einschließlich Hunderter ganz junger Bäume. Auf dem Weg von einem großen Baum zum nächsten benutzt ein Fäller seine Säge oft wie eine Machete und schwingt sie in Zeitlupe vor sich hin und her – den Motor an der Hüfte, das Schwert angewinkelt nach unten gerichtet –, um sich einen Pfad frei zu schlagen. Indem er jedoch diese kleinen Bäume angeschrägt kappt und nicht waagerecht, lässt der Fäller eine Spur von »Schweinsohren« hinter sich – spitzen Stümpfen. Beek musste sich den Weg durch einen Bestand bahnen, um einen Windbruch zu erreichen, in diesem Fall eine Cedar, die fast zwei Meter Durchmesser hatte. Als er auf dem umgefallenen Stamm stand, reichte er hinüber zu einem jungen Baum und sägte ihn ab. Dabei blieb ein Schweinsohr von gut anderthalb Metern Höhe zurück. Es regnete (wie gewöhnlich), und während Beek die Cedar zerteilte, rutschte er auf einem Mooskissen aus, stürzte rückwärts und spießte sich auf dem lebenden Speer auf. Dieser drang durch sein Rektum ein und stieß vor bis zur Wirbelsäule. Beeks Füße berührten gerade noch den Boden.
Fäller, die Gliedmaßen durch Sägen und beim Baumscheren verloren haben, sagen, dass sie zuerst nichts als einen »Stoß« verspürten und der richtige Schmerz erst später einsetzte. Aber eine Verletzung wie die von Beek ist etwas anderes: Die Schmerzen setzten augenblicklich ein und waren unbeschreiblich stark. Jede Bewegung, selbst seine Versuche, um Hilfe zu rufen, müssen ungeheuer qualvoll gewesen sein – so höllisch, dass die meisten Menschen bewusstlos geworden wären. Was alles noch viel schlimmer machte, war die Tatsache, dass er seine Beine schon ganz ausgestreckt hatte: Er besaß keine Möglichkeit, sich zu befreien, und bei jeder Bewegung lief er Gefahr, den Pfahl noch tiefer in sich zu treiben. Aus Sicherheitsgründen arbeiten Fäller gewöhnlich zu zweit, und heutzutage rufen sie einander, wenn sie die Säge des anderen nicht mehr hören, aber Beeks Partner war noch von der alten Schule und nahm nichts wahr: weder Beeks Rufe noch das Schrillen der Notpfeife. Beek wurde klar, dass er sich nicht retten konnte und sehr schnell verbluten würde. Irgendwie schöpfte er jedoch die Kraft, seine Säge anzuwerfen, deren neunzig Zentimeter langes Schwert hinter sich zu manövrieren und sich freizusägen – ohne sich die Füße zu amputieren, weiter auf den jungen Baum zu rutschen oder in die Säge zu fallen. Mit dem meterlangen Holzspieß im Körper kroch Beek hundert Meter weit eine Böschung hinauf und schaffte es durch dichtes Unterholz an eine Abfuhrstraße. Als der Rettungshubschrauber kam, nannten ihn seine Freunde bereits den »Mann am Stiel«. Nach drei Monaten mit einem Kolostomiebeutel und drei weiteren in der Reha machte er sich wieder auf den Weg in den Wald, um Bäume zu fällen. Derartiges ist kein Einzelfall: Beeks Vorarbeiter Matt Mooney wurde Zeuge einer ähnlichen Situation auf den Queen Charlottes, als sein Partner auf einen abgebrochenen Ast fiel. Er drang auf demselben Weg ein und trat durch den Bauch des Mannes wieder aus.
Trotz seines Hangs, immer wieder an die Grenzen zu gehen, zog sich Hadwin bei der Arbeit im Busch nur einmal eine schlimme Verletzung zu – als die Klaue eines von ihm verwendeten Fällhebers unter der Last abrutschte, zertrümmerte der nach oben schnellende Griff Hadwins Kiefer. Die alarmierende Häufigkeit von Arbeitsunfällen im Wald lässt Hadwins Vorliebe, allein zu arbeiten, in einem anderen Licht erscheinen. Heutzutage würden es die meisten verantwortungsbewussten Firmen gar nicht mehr erlauben. In völliger Dunkelheit Bäume zu fällen wird ebenfalls missbilligt.
In einer Winternacht ist es im Wald besonders still, und Hadwins Säge muss in dieser friedlichen Umgebung un glaublich laut geknattert haben. Sie heulte und ratterte stun denlang und wurde anscheinend von niemandem gehört außer von Hadwin selbst. Der Vorarbeiter von MacMillan Bloedel, der später das vollzog,
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