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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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nicht aus der Schlinge gezogen haben, weiß ich wiederum nicht.«
    »Da war eine Schießerei.« Kajetan hob hilflos die Hände. »Aber ich hab keine Ahnung, wer geschossen hat. Es ist finster gewesen.«
    Der Regierungsrat sah auf Kajetan herab.
    »Sie haben sehr wohl eine Ahnung, decken aber den Täter, weil er Ihnen das Leben gerettet hat.«
    »Es ist finster gewesen«, wiederholte Kajetan. »Stockfinster!«
    »Hören Sie doch endlich auf!«, polterte Rosenauer. »Es reicht.« Er straffte sich und kehrte wieder auf seinen Sessel zurück.
    Idiot! Kajetans Magen krampfte sich. Er hatte sich hereinlegen lassen. Der Kripoleiter hatte das alte Spiel gespielt, das er früher selbst oft bei Vernehmungen gespielt hatte: Wir verstehen dich ja … wir sind völlig einer Meinung mit dir … wir kennen das doch … wir sind doch alle bloß Menschen … Warum war er nicht bei seiner Ausrede geblieben, er wäre bestohlen worden? Niemand hätte ihm das Gegenteil beweisen können!
    Der Regierungsrat griff nach seiner Brissago und schien unschlüssig zu sein, ob er sie wieder anzünden sollte. »Jetzt passens einmal auf, Herr Kajetan«, begann er, »Sie können mir glauben, dass ich nicht die Absicht hab, diesen ganzen Dreck wieder aufzurühren. Diese Affäre gereicht der Polizeidirektion München wahrlich nicht zur Ehre.« Er legte die Zigarre auf die Schale und rieb sich die Nasenwurzel. »Erst recht werd ich mich nicht aufhängen, wenn ich mich mit solchem Gesindel nicht mehr herumärgern muss. Wir haben leider noch immer zu viel davon.« Er stutzte, als er die verdutzte Miene seines Gegenübers bemerkte. »Was ist?«
    »Nichts«, sagte Kajetan. »Ich … ich hör Ihnen zu.«
    Hatte die Stimme des Kripo-Leiters zuvor noch resigniert geklungen, so tönte sie jetzt entschlossen: »Aber zum Glück sehen das immer mehr meiner Kollegen auch so. Darunter dürften zwar etliche Helden sein, die ihre Tapferkeit erst wieder entdeckt haben, seit die Hitlerischen in letzter Zeit immer miserablere Wahlergebnisse einfahren. Nicht mal drei Prozent im Reichstag und lausige sechs Prozent bei der Landtagswahl haben sie geholt. Unser bayerischer Mussolini kutschiert zwar noch immer stolz mit seinem Mercedes-Kompressor durch die Gegend, aber den wird er auch bald mit einem Drahtesel austauschen müssen, weil seine Partei finanziell fast ruiniert ist.« Rosenauer brach kurz ab, die Vorstellung schien ihn zu erheitern. Er wurde wieder ernst. »Aber genau so viele waren mit mir schon immer der Überzeugung, dass mit der Unterwanderung der Münchner Polizei schon längst hätt Schluss gemacht werden müssen.« Er nahm seine Brille ab und sah Kajetan ins Gesicht. »Damit wir uns jetzt nicht falsch verstehen: Ich habs absolut nicht mit denen, die am liebsten die ganze Welt umbauen möchten, mit den Sozen, Kommunisten und wie diese unkommoden Gschaftlhuber alle heißen. Ich bin da bescheiden geworden. Ich wär schon damit zufrieden, wenn sich einfach nach dem gerichtet wird, was im Gesetz drin steht. Ich bin, wenn Sie so wollen, noch einer von der altmodischen Sorte. Verstehen Sie das?«
    Kajetan nickte.
    »Und täusch ich mich sehr, wenn ich vermute, dass wir zwei da gar nicht so weit auseinander sind?«
    Kajetan räusperte sich. »Eher nicht.«
    Rosenauer bedachte ihn mit einem zufriedenen Blick und fuhr fort: »Aber trotzdem. Es ist noch ein Haufen Holz, das da zu hacken ist. Da kann ich keine Maulhelden brauchen. Erst recht keine windigen Opportunisten, die bei der ersten Schwierigkeit gleich den Kopf einziehen. Sondern Leut, auf die Verlass ist. Leut von Ihrem Schlag beispielsweis, Herr Kajetan. Vielleicht ist was dran gewesen, wenn man Ihnen Sturheit vorgeworfen hat. Aber eins hat man Ihnen nie nachgesagt: Dass Sie ein Mucker waren.«
    »Kann sein«, meinte Kajetan. »Aber jetzt bin ich halt nicht mehr dabei.«
    »Leider wahr«, erwiderte der Kripoleiter grimmig. »Obwohl jeder in Direktion und Ministerium seit langem weiß, dass Sie seinerzeit in Walching mit den Anschuldigungen gegen Ihren Vorgesetzten im Recht waren, da der Mann erwiesenermaßen gemeinsame Sache mit den Fememördern gemacht hat. Weshalb es nicht gerechtfertigt war, Sie zu feuern.«
    So ähnlich seh ich das auch, wollte Kajetan sagen, begnügte sich aber mit einem nachdrücklichen Nicken. Träum ich eigentlich?, dachte er.
    Der Kripoleiter seufzte. »Aber Polizei und Justiz ist es bekanntlich ja schon immer schwergefallen, Fehler einzugestehen. Als Begründung muss dann immer

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