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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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Beobachtungen zurückgehalten wurden, ob es nicht doch noch Zeugen gibt, die seinerzeit nicht befragt oder übersehen wurden. Eine ihrer Aufgaben wäre aber zunächst, alle bisherigen Zeugen noch einmal auf Herz und Nieren zu überprüfen.«
    »Ist ziemlich lang her«, gab Kajetan zu bedenken.
    »Ich versprach zu keiner Zeit, dass diese Aufgabe einfach ist.«
    Kajetan setzte sich wieder gerade.
    »Warum sollt jemand falsch ausgesagt haben?«
    »Können Sie sich das als ehemaliger Kriminalbeamter nicht vorstellen? Weil ihm der Ermittler etwas in den Mund gelegt hat, was ihm in den Kram passte, zum Beispiel. Oder weil er doch nicht so genau hingesehen hat und sich später genierte zuzugeben, dass er sich nur wichtig machen wollte. Für manche ist es verführerisch, wenigstens einmal im Leben im Mittelpunkt stehen zu dürfen. Herr Rotter stammt außerdem aus einer Ortschaft im vorderen Bayerischen Wald, war zuvor weitgehend mittellos und hat auf seinen Hof nur eingeheiratet. Es hat zwar den Anschein, dass man ihn in der Gemeinde durchaus respektierte, er lebte aber wohl noch nicht lange genug dort, um von den Einheimischen als einer der ihren akzeptiert zu werden. Hinzu kam, dass der Unfriede im Haus auch ihm angelastet wurde, teilweise nicht ganz zu Unrecht. Und dann war zur Tatzeit auch noch eine recht ansehnliche Dienstmagd auf dem Hof, die ebenfalls misstrauisch beäugt wurde. Wenngleich sie auch aufgrund eines unwiderlegbaren Alibis aus dem Kreis der Verdächtigen ausschied, gab ihre Anwesenheit bei einigen Dorfbewohnern doch Anlass zu allerlei Gerüchten. Sie können sich denken, wie rasch einem simpel gestrickten Ermittler da in den Sinn kommt, hier das fehlende Motiv vor sich zu haben. Was dann ja auch eingetreten ist. Rotter wurde übrigens zunächst zum Tode verurteilt, dann aber zu Lebenslänglich begnadigt. Man scheint seitens der Justiz doch auch das Gefühl gehabt zu haben, dass an dieser Sache nicht alles völlig koscher ist.«
    Kajetan dachte nach.
    »Wenns der Bauer aber nicht gewesen ist …«
    »Nicht gewesen sein kann!«, bekräftigte der Anwalt.
    »… dann muss es jemand anders gewesen sein.«
    Der Anwalt sah ihn mit müder Herablassung an. »Sie verschmerzen es, für diese Erkenntnis von mir nicht überschwänglich belobigt zu werden?« Er bemerkte Kajetans reservierte Miene. »Pardon«, murmelte er. »Ich sollte mich davor hüten, bitter zu werden. Zumindest nicht im unangebrachten Moment.« Er nickte. »Ja. Natürlich habe ich eine Vermutung, wer …«
    Es klopfte. Der Anwalt sah unwillig zur Tür. Die Sekretärin erschien im Türrahmen.
    »Herr Doktor, Sie vergessen mir bittschön nicht den Termin am Landgericht?«
    »Herrje!« Der Anwalt schlug sich mit der Hand auf die Stirn. Er stand auf. »Nun, Herr Kajetan, meinerseits könnte ich mir eine Zusammenarbeit mit Ihnen vorstellen. Wenn Sie bezüglich der Bezahlung keine allzu üppigen Vorstellungen haben – ich bezahle pro Tag zehn Mark, Spesen gehen selbstverständlich extra, wobei ich im Falle außergewöhnlicher Ausgaben zuvor unterrichtet werden möchte.« Er ging zur Garderobe und griff nach seinem Mantel. »Da die Sache eilt, erwarte ich, dass Sie ohne zeitlichen Verzug anfangen, am besten noch in dieser Woche. Wie ist Ihre Entscheidung?«
    Auch Kajetan hatte sich erhoben. »Ich wär schon interessiert.«
    Der Anwalt nahm es mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis. Er streckte Kajetan seine Hand entgegen und schüttelte sie mit kräftigem Druck. »Ich werde veranlassen, dass Sie einen Vorschuss erhalten. Kommen Sie gleich morgen früh noch einmal hierher. Fräulein Agnes wird Ihnen die Unterlagen zu diesem Fall bereit legen.«

9.
    Auf seinen Gehstock gestützt schlurfte der Reichsaußenminister über das Rondell des Kurhotels Bühlerhöhe. Mit müdem Nicken nach allen Seiten erwiderte er die Respektsbezeugungen des Personals und der wenigen Gäste, die sich, gebührenden Abstand haltend, wie er zum nachmittäglichen Spaziergang im Park aufgemacht hatten.
    »Eure Exzellenz!«
    Gustav Stresemann blieb stehen und wandte sich schwerfällig in die Richtung, aus der er gerufen wurde. Unter schweren Lidern sah er dem Heraneilenden entgegen.
    »Schubarth«, sagte er mit mürber Stimme.
    Das glatte Gesicht des Staatssekretärs war vor Eifer gerötet. Er verneigte sich ruckig. »Eure Exzellenz verzeihen vielmals die Störung.«
    »Was müssen Sie mich denn schon wieder mit Ihrem Kram belästigen, Schubarth. Sie sehen doch, dass es mir miserabel

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