Am Ende des Tages
seitens Eurer Exzellenz kein Verständnis für seine Notlage finden, sähe er sich nicht mehr an gewisse frühere Vereinbarungen gebunden.«
Der Blick Stresemanns irrte ungläubig über das Gesicht seines Staatssekretärs. Dann hatte er verstanden.
Du könntest doch demissionieren, alter, müder Mann, dachte der Staatssekretär. Und nicht an deinem Stuhl kleben, bis er unter dir wegfault.
Er neigte den Kopf, zum Befehlsempfang bereit. »Was wünschen Eure Exzellenz, dass veranlasst wird?«
Der Reichsaußenminister brütete eine Weile vor sich hin. Dann sagte er tonlos: »Was schlagen Sie vor, Schubarth?«
»Ich würde Eurer Exzellenz raten, die Sache gründlich zu bereinigen. Die Verbindung zu Major Bischoff wird zunehmend zur Belastung. Es besteht die Gefahr, dass nicht nur der Ruf Eurer Exzellenz Schaden nimmt, sondern auch der der Reichsregierung.«
Stresemann nickte matt. »Gründlich, ja … aber wie, Schubarth?«
»Ich habe kürzlich dazu mit Herrn Ministerialdirektor Gohse konferiert. Er erinnerte an den Haftbefehl aus dem Jahr 1919 gegen Major Bischoff.«
»Was redet der Mann für einen Unsinn? Und Sie nicht weniger! Sie wissen beide doch genau, dass ich damals selbst eine Amnestie auf den Weg gebracht habe.«
»Gewiss. Herr Ministerialdirektor Gohse gab jedoch zu bedenken, dass diese Amnestie unter Umständen rückgängig gemacht werden könnte, wenn Major Bischoff nachzuweisen wäre, damals falsche oder unvollständige Angaben gemacht zu haben.«
»Das ist doch idiotisch …«, murmelte Stresemann. Sein massiger Schädel sank tiefer zwischen seine Schultern.
Natürlich ist es das, alter Mann, dachte der Staatssekretär. Dann nämlich würde dein alter Kamerad Bischoff keine Sekunde zögern, dich zu vernichten. Er würde in die Welt hinausposaunen, dass ihr beide im Januar 19 in der Wohnung General Ludendorffs mit Noske darüber beraten habt, wie das Gardekavallerieschützenkorps mit den Gefangenen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verfahren soll. Und dass du dich ein Jahr später als Minister zur Verfügung stellen wolltest, wenn Kapp mit seinem Putsch gesiegt hätte. Und wie du, der du dich mittlerweile als tadelloser Republikaner bekränzen lässt, dir Bischoffs Schweigen erkauft hast, in dem du ihm und seinen Komplizen nicht nur eine Amnestie zugeschanzt, sondern seinen Verein jahrelang aus einem Geheimfond des Außenministeriums finanziert hast. Einen Verein, in dem Feinde der Republik üppig überwintern können. Und der für dieses Geld nichts als die verwaschene Absichtserklärung liefert, das »Deutschtum« im Ausland unterstützen zu wollen, in Wirklichkeit aber an einer faschistischen Internationale bastelt, die auch der deutschen Republik den Garaus machen will.
Stresemann gab einen gequälten Seufzer von sich. Er hob sein graues Gesicht. »Was … was ist eigentlich mit unseren eigenen Nachforschungen in dieser Angelegenheit? Haben Sie sie veranlasst?«
Schubarth nickte selbstzufrieden. »Die Sache ist im Fluss. Wir haben einen der fähigsten Spezialisten für derartige Ermittlungen nach Bayern entsandt. Er hat die Arbeit bereits aufgenommen.«
»Geschieht dies auch in strengster Diskretion? Weder die Öffentlichkeit noch Bischoff selbst dürfen etwas davon mitbekommen, dass unser Haus in die Sache involviert ist.«
»Eure Exzellenz können vollkommen beruhigt sein. Eingeweiht sind lediglich je eine absolut zuverlässige Gewährsperson im Reichsverkehrsministerium und bei einer Versicherungsgesellschaft.«
»Ich will Ihnen mal glauben.« Stresemann schnaufte. »Und? Gibt es bereits erste Erkenntnisse?«
»Vorerst nur einige Hypothesen, die ich mit dem Ermittler im Vorfeld erörtert habe. Die erste ist, dass es sich bei dem Absturz, bei dem die Summe verlorenging, tatsächlich um einen Unfall gehandelt hat, wobei nur noch die mehr als merkwürdigen Umstände des Absturzes aufzuklären wären. Zu dieser Hypothese neigt übrigens auch Bischoffs Kontaktmann in München, Major von Lindenfeld. Wenngleich dieser auch nicht völlig ausschließen will, dass die Nationalsozialisten ihre Finger im Spiel gehabt haben könnten. Bekanntlich stehen sie in Konkurrenz zu Bischoffs Organisation und sind davon überzeugt, dass nicht ihm, sondern ihnen diese Unterstützung zustände.«
Der Außenminister starrte auf den gepflegten Kies. Seine Unterlippe hing schlaff. Ohne den Kopf zu heben, fragte er: »Was ist davon zu halten?«
»Gewagt, Eure Exzellenz. Hitlers Leuten wird zwar eine gewisse
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