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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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musste er sich zur Bennostraße durchfragen. Schließlich stand er in einer schmalen, von entlaubten Kastanien gesäumten Straße. Hinter Mauern und Zäunen waren mehrstöckige, schlossähnliche Wohnhäuser zu sehen. Ratlos sah er auf seine Notiz.
    Ein Mädchen mit artiger Hahnenkammfrisur und abstehenden Zöpfen, einen klobigen Schulranzen auf dem Rücken wippend, kam ihm entgegen. Seine Miene hellte sich sofort auf, als es hörte, nach wem er suchte. Bereitwillig führte es ihn vor ein geschmiedetes Tor.
    »Da wohnen der Herr Kummerer und das Fräulein Ludmilla«, sagte die Kleine. Lächelnd fügte sie hinzu: »Das Fräulein Ludmilla ist eine ganz, ganz liebe. Allweil schenkt sie uns Gutterl.«
    Kajetan bedankte sich. Das Tor war nicht versperrt. Nach wenigen Schritten auf einem Kiesweg, vorbei an akkurat gepflegten Rabatten, stand er vor einer gedrungenen Villa mit Walmdach, das an der Seite von einem Zierturm überragt wurde.
    Er zog die Türglocke. Erst nach geraumer Zeit näherten sich schlurfende Schritte. Egidius Kummerer öffnete die Tür einen Spalt, bereit, sie sofort wieder zuschlagen zu können.
    Kajetan zog seinen Hut, stellte sich vor und erklärte den Grund seines Besuchs.
    »Mit dem Fräulein Ludmilla möchtens sprechen?« Der Alte befingerte einen Knopf seiner welken Strickjacke. »Was … was Wichtigs?«
    Kajetan nickte ernst. Kummerer schwankte einen Moment, doch dann öffnete er die Tür und ließ seinen Besucher an sich vorbei in ein kleines Foyer gehen. Er wies auf die offene Tür zum Salon.
    »Nehmens doch derweil drinnen schon Platz. Ich werd …«
    Er verstummte. Aus einer Seitentür trat Ludmilla Köller, ein Bündel Weißwäsche vor der Brust tragend. Sie stutzte un-merklich, grüßte Kajetan mit einem flüchtigen Nicken und steuerte den Salon an.
    Kummerer taperte ihr nach. »Der Herr wär wegen dir da, Milla«, sagte er.
    Sie drehte sich um und sah fragend zwischen den beiden Männern hin und her. »Um was gehts denn?«
    »Der Herr …«
    Kajetan nannte seinen Namen und machte die Andeutung einer Verneigung. »Von der Kanzlei Dr. Herzberg.«
    »Milla, der Herr kommt von einem Rechtsanwalt in München und meint, es geht um einen früheren Dienstherren von dir.«
    Kajetan nickte bestätigend. Er betrachtete die junge Frau. Sie hatte tatsächlich nichts mehr von jener reizlosen Stallmagd an sich, als die sie auf dem Foto in den Ermittlungsakten abgebildet war. Das kräftige, dunkelbraune Haar über ihrem schönen und gleichmäßigen, ein wenig bäuerlich breiten Gesicht war zu einem strengen Dutt frisiert. Sie legte den Stoff beiseite und zog die Decke des Teetisches ab.
    »Hat mehrere gegeben«, sagte sie unbeteiligt. Ihre Stimme passte zu ihrem Aussehen, sie war melodisch, ein wenig dunkel… »Ich versteh nicht.«
    »Der Herr sagt, er möcht mit dir reden, um … um …«
    Kajetan kam ihm wieder zu Hilfe. »Es geht um den Herrn Rotter. Ignaz. Sie werden sich bestimmt an ihn erinnern. Ich wär Ihnen sehr verbunden, wenn Sie einen Augenblick für mich Zeit hätten, Fräulein …« Er sprach nicht weiter. Ludmilla Köhler hatte leise aufgestöhnt. Aus ihrem Gesicht war die Farbe gewichen. Sie tastete haltsuchend nach einer Stuhllehne.
    »Was hast?«, rief der Pensionär beunruhigt.
    Die junge Frau winkte mit einer kraftlosen Bewegung ab und ließ sich auf den Stuhl fallen. »Nichts«, flüsterte sie. Kummerer eilte auf sie zu. »Soll der Herr wieder gehen, Milla? Sags! Ich lass nicht zu, dass dich irgendwer …?«
    »Lass, Gide«, flüsterte sie. »Es ist bloß … am liebsten wär mir gewesen, wenn ich nie mehr was davon gehört hätt …«
    Kummerer warf sich in die Brust. »Aber dann sag mir, dass ich ihn fortschicken soll!« Er legte seine Hände wie schützend auf ihre Schultern und warf Kajetan einen erbosten Blick zu. »Und wenn er nicht geht, dann … dann ruf ich die Gendarmerie!«
    »Das tust nicht, Gide«, sagte sie ergeben. »Jetzt ist er schon extra gekommen. Es … es nutzt ja nichts. Werds schon aushalten.« Sie griff nach seiner Hand, tätschelte sie und sah bittend zu ihm auf. »Tust mir bloß den Gefallen, Gide, und lass mich mit dem Herrn ein Momenterl allein, hm?«
    »Aber was ist denn damals gewesen?«
    »Ich erzähls dir dann schon«, sagte sie leise. Sie wiederholte, jetzt eine Spur bestimmter: »Lass uns ein Momenterl allein, ja?«
    Er durchforschte ratlos ihr Gesicht. Dann nickte er stumm und zog sich mit schleppendem Schritt zurück. Ludmilla Köller schaute ihm

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