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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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nach, hörte das Klacken der ins Schloss gezogenen Türe und lauschte den sich entfernenden Schritten. Schlagartig veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie stand mit einem Ruck auf. Ihre Augen sprühten.
    »Der Ignaz ist unschuldig!«, rief sie heiser. »Er ist es nicht gewesen!«
    »Fräulein Köller …«, Kajetan fasste sich schnell. »Genau deswegen bin ich da.«
    »Nehmen Sies mir nicht krumm, Herr, wenn ich vorhin ein bisserl Theater hab machen müssen. Aber der Herr Kummerer regt sich so schnell auf, und ein schwaches Herz hat er auch. Und ich selber hab lang genug drunter zu leiden gehabt, dass die Leut sich das Maul über mich zerrissen haben.«
    Kajetan nickte verstehend. »Dann wollens mithelfen, dass der Herr Rotter wieder in Freiheit kommt?«
    »Dass Sie da noch fragen?« Sie legte beide Hände auf ihren Busen. In ihren Augenwinkeln glitzerte es. »Alles tu ich dafür, alles! Der arme Ignaz! So ein braver Mensch! Und muss allweil noch unschuldig im Zuchthaus hocken!«
    Kajetan war erfreut. »Dann reden wir nicht mehr lang um die Sach herum. Ich bin dabei, alle damaligen Zeugen noch einmal zu befragen. Vielleicht ist einem später noch was in den Sinn gekommen, was ihm in der ersten Aufregung nicht gleich eingefallen ist. Oder einer von den Kommissären hat ihn verkehrt verstanden.«
    »Oder verstehen wollen«, unterbrach sie. »Weils praktischer ist, wenn man gleich einen hat, dem man was anhängen kann!« Sie ballte die Fäuste. »Aber der Ignaz wars nicht. Ich schwörs.«
    »Ich weiß.« Kajetan winkte ungeduldig ab. »Fräulein Köller – Sie haben damals zu Protokoll gegeben, dass der Herr Rotter den Mord deswegen nicht begangen haben kann, weil er zum Zeitpunkt der Tat im Stall gewesen ist.«
    »Ja! Und das beschwör ich bei unserem Herrgott und allen Heiligen!«
    »Aber Sie haben ebenfalls ausgesagt, dass Sie sich damals in der Küche aufgehalten haben. Von wo aus sie aber gar nicht hätten sehen können, ob jemand aus dem Hintereingang in den Wald geht.«
    »Stimmt, das Fenster geht zur anderen Seite raus. Aber was ich gesehen hab, ist, dass der Ignaz kurz vor vier zum Stall rübergegangen ist. Und dass er kurz vor halb sechs ziemlich wutig zu mir in die Küche gekommen ist, weil die Bäuerin schon längst mit dem Melken hätt anfangen sollen.«
    »Mit der Stallarbeit ist er da schon fertig gewesen?«
    »Wie jedes Mal um die Zeit. Und deswegen kann er nicht für längere Zeit weg gewesen sein. Verstehens? Wer hätt das alles tun sollen, wenn er bloß die halbe Zeit dafür gehabt hätt? Ein guter Geist oder was? Schön wärs, aber glauben Sie an so was? Ich nicht.«
    »Ich noch weniger«, sagte Kajetan. »Drum denkens bittschön noch mal ganz genau nach: Ist um diese Zeit irgendjemand anders im oder beim Haus gewesen?«
    »Hab ich doch auch schon tausendmal erzählt! Lang vorher, um Mittag, da hat ein Schlosser angefragt, obs was zum Reparieren gäb. Wir haben nichts zum Richten gehabt, aber er hat eine Suppen gekriegt. Ich weiß bloß noch, dass er einen Mordshunger gehabt haben muss, weil ich ein paar Mal hab nachschöpfen dürfen. Die Bäuerin hat mich ganz zwider angeschaut deswegen.«
    »Dieser Schlosser – das ist ein Herr Fürst gewesen, ja?«
    »Fürst?« Auf ihrer glatten Stirn bildeten sich Falten. Dann sagte sie zögernd: »Ja, kann sein. Auf dem Gericht hab ich den Namen, mein ich, einmal gehört.«
    »Was ist das eigentlich für ein Mensch gewesen?«
    »Was für ein Mensch?«, wiederholte sie nachdenklich. »Weiß nicht. Vom Einmal-sehen kannst schließlich nicht viel sagen. Ich erinner mich bloß noch, dass er mich ein bisserl erbarmt hat. Er ist nach der Suppen nämlich noch hocken geblieben und hat erzählt, was er durchmachen hat müssen im Krieg, und was alles so passiert in München droben mit der Revolution. Und dass es für Leut wie ihn jetzt kaum noch eine Arbeit gibt, weil die Leut immer geiziger werden.«
    »Wann genau ist er gegangen?«
    »So gegen vier. Das weiß ich deswegen, weil er da auf die Uhr geschaut hat und auf einmal ganz eilsam geworden ist. Er müsst den Fünfer-Zug in Thalbach noch erwischen, hat er gesagt und wissen wollen, wie lang man zu Fuß dahin braucht.«
    »Nicht ganz eine Stund«, sagte Kajetan. »Ich bins extra gegangen.«
    Sie streifte ihn mit einem eigenartigen Blick. Dann nickte sie. »Genau. Das hab ich ihm auch gesagt. Drauf ist er schnell fort.«
    »Hat auch der Herr Rotter gesehen, wie der Fürst gegangen ist?«
    Sie schüttelte den Kopf.

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