Am Ende des Tages
was?«
»Nein, nein … aber …«
Red endlich, dachte sie.
»… aber du bist so …«, Kummerer musste sich wieder räuspern, »… ein bisserl anders bist geworden, seit der Herr da gewesen ist. Weißt schon, den der Advokat geschickt hat.«
»Wie anders?«
»So … in dir drin …«, er starrte auf ihren Rücken und suchte nach Worten, »… als wie wenn dir seitdem was durch den Kopf gehen tät, seit …«
»Ach wo«, sagte sie schnell. »Das bildst dir bloß ein.«
Die Bohlen knarrten verhalten, als er einen weiteren Schritt auf sie zu tat.
Sie spürte, wie es in ihr zu kochen begann. Rühr mich nicht an, dachte sie. Rühr mich ja nicht an.
»Schau mich an«, bat er unterwürfig.
Sie zwang sich zu einem beiläufigen Ton: »Aber ich hab doch eine Arbeit, Gide!«
»Bittschön, Milla. Schau mich an.«
Sie warf ihm einen fragenden Blick über die Schulter zu.
Kummerers Stimme zitterte: »Was der Herr dich gefragt hat … und wo du gesagt hast, dass du … dass du nichts mit deinem früheren Dienstherren …«
Ludmilla hielt inne. Kummerer hatte also gelauscht. Die Knöchel ihrer Finger, mit denen sie den Griff des schweren Bügeleisens umklammerte, wurden wächsern.
»Red weiter«, sagte sie heiser.
»… und dass du ihn vielleicht noch allerweil …«
Er hob unwillkürlich die Hände zur Abwehr, als sie sich mit einem Ruck umdrehte und ihn wutentbrannt anfunkelte.
»Sagst jetzt du auch noch, dass ich lüg?!«
Der alte Mann zuckte zusammen. Er schüttelte bestürzt den Kopf.
»Nein-nein! Ich …«
Sie drehte ihm mit einer heftigen Bewegung den Rücken zu, verbarg das Gesicht in den Händen und schluchzte leise auf. Stockend flüsterte sie: »Dass du … dass du mich bloß so … so dermaßen … enttäuschen kannst.«
Kummerer schluckte und trat hinter sie.
»Ich … ich habs doch nicht so gemeint«, sagte er mit kläglicher Stimme. »Ich glaubs dir doch, Milla.« Er sah berührt auf ihre zuckenden Schultern. Seine Hände vollführten eine hilflose Geste.
»Hab dir doch bloß sagen wollen … dass ich dich lieb hab, Milla …«
»Geh«, flüsterte sie.
Er nickte schuldbewusst und gehorchte. An der Türe drehte er sich noch einmal um. »Und … ich hab dir bloß sagen wollen, dass … dass ichs dir nicht übel nähm, Milla. Ich … bin doch schon ein gutes Stück länger auf der Welt … Ich weiß doch, wies Leben ist …« Seine Stimme brach, und von Schluchzen durchstoßen schloss er: »Und … und wenns so wär … ich … halt dich nicht …«
Als sie die Türe zufallen hörte, atmete Ludmilla tief durch. Sie wischte sich mit dem Handrücken über ihre Augenwinkel. Verblüfft betrachtete sie ihre Hände. Sie waren nass. Für die Dauer eines Herzschlags schoss ihr in den Sinn, dass sie verloren sein könnte.
Sie griff nach dem nächsten Hemd und breitete es sorgfältig auf dem Bügelbrett aus.
36.
Was die Geräusche betraf, die hin und wieder aus dem rückwärts gelegenen kleinen Gastgarten in die Stube drangen, so waren die Gäste des »Gaiser-Wirts« einiges gewohnt. Kaum einen bekümmerte je, ob ein Eifersüchtiger seiner Angebeteten eine Tracht Prügel verabreichte, weil sie einem anderen schöne Augen gemacht hatte. Oder ob ein Pärchen nicht mehr an sich halten konnte und sich gleich im Hinterhof laut stöhnend übereinander hermachte.
Doch dieses herzzerreißende Weinen, das Gebrüll eines Mannes in maßloser Erregung und die schallenden, klatschenden Geräusche, denen die schmerzerfüllten Schreie einer Frau folgten, war zu viel. Beunruhigt eilten der Schankkellner und zwei Gäste hinaus. Sofort erfassten sie die Lage. Eine wimmernde junge Frau wand sich auf dem Hofpflaster, vor ihr stand breitbeinig ein Mann, die Rechte zum erneuten Schlag erhoben.
»Schluss!«, dröhnte der Schankkellner.
Fürst drehte sich um.
»Misch dich du da nicht ein, du Bauernfünfer, du blödgesoffener!«
Der Kellner wechselte einen Blick mit den anderen Gästen.
»Das lass dir nicht gefallen, Biwi«, sagte einer der Umstehenden verhalten. Der Kellner machte einen schweren Schritt auf Fürst zu. »Sag das noch mal«, sagte er und versetzte ihm einen Haken. Fürst klappte zusammen und blieb benommen liegen. Der Kellner trat vor ihn, die Fäuste kampfbereit. »Du sollst es noch mal sagen.«
Fürst schüttelte sich, richtete sich taumelnd auf und sah wild um sich.
»Kapiert?«, sagte der Kellner. »Und jetzt verziehst dich und lässt dich nie wieder bei mir sehen. Grattler, elendiger!«
Fürst
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