Am Ende des Tages
einer Weile.
»Was?«, murmelte sie.
»Dass du fortgehst.«
»Mhm …«, hörte er.
Ausgerechnet jetzt, dachte er.
Das Leinen raschelte, als sie sich mit einem Ruck aufrichtete. Auf ihren Ellenbogen gestützt, sah sie ihm ins Gesicht.
»Komm mit«, sagte sie.
»Was?«
Ich hab mich verhört, dachte Kajetan.
»Ich könnt dich brauchen. Oder hält dich was in der Stadt? Eine andere?«
Er wich ihrem Blick aus. »Es gibt keine«, sagte er.
»Was dann?«
Was mich hält?, dachte er. Nichts als die Kleinigkeit, dass ich mich jahrelang abgestrampelt hab, um wieder bei der Polizei eingestellt zu werden. Und es jetzt danach ausschaut, dass ich nicht umsonst gekämpft hab.
»Sag«, hörte er.
Er schwieg. Sie lachte leise.
»Jetzt wird’s dir ganz zweierlei, was?«
»Schmarren.«
»Aber du denkst, jetzt spinnt sie, hm?«
Er räusperte sich einen Kloß aus dem Hals. »Nein, aber …«
»Oder dass ichs nötig hätt, weil ich ja auch schon auf die dreißig zugeh?«
»Hab ich alles nicht gesagt«, widersprach er schwächlich.
»Das brauchst nämlich schon gleich gar nicht zu meinen. Die Wirtschaft daheim geht gut. Wir haben die großen Hochzeiten, die Taufen und Beerdigungen. Einen schönen Wirtsgarten gibts, die Vereine kommen, ein schönes Theater haben wir auch. Kannst mir ruhig glauben: Ich werd eine gute Partie sein. Ich werd mir die Mannsbilder wahrscheinlich grad so aussuchen können. Ewig einschichtig werd ich nicht bleiben.«
»Ich hab nichts gesagt«, wiederholte er verärgert.
»Lüg nicht. Wir sind zum ersten Mal zusammen, denkst du, und schon kommt sie mir mit so was. Gibs zu.«
»Bissl schnell gehts schon«, gestand er. »Und ich … in einer Wirtschaft … ich mein, so was muss eins doch gelernt haben.«
»Das hättst du dir schnell beigebracht. Das Wichtigste ist, dass einen die Leut mögen. Und dass ein Wirt was darstellt. Ein Wirtshaus musst dir vorstellen wie eine Theaterbühne.«
»Glaubs dir schon.«
Aber so geht das nicht, dachte Kajetan. So geht das einfach nicht.
»Außerdem … Herrgott, Burgi! Du kennst mich doch kaum.«
»Hör ich recht?« Sie kicherte leise. »Ich dich nicht kennen, Paule? Hast vergessen, dass du jahrelang bei mir eingekehrt bist? Ich weiß, was für ein Essen dir schmeckt und was für eins nicht, weiß, wieviel Bier du vertragst, ich kenn dein Gesicht, wenn du eine Sorg hast, und kenns, wenn du mit dir zufrieden bist. Und wie du zum ersten Mal in den »Soller« gekommen bist, da hab ich mir gedacht: So also schaut der aus, den du mal nimmst.« Sie schlug leicht auf seine Brust. »Aber ihm, dem Stenz von Giesing, dem war eine Kellnerin ja nicht gut genug.«
»Schmarren!«, protestierte er.
Wo hab ich bloß die ganze Zeit meine Augen gehabt?, dachte er.
Sie betrachtete ihn belustigt. »Hast echt nie was gespannt? Respekt, Herr Oberinspektor.« Sie rollte sich zur Seite und wandte ihm den Rücken zu.
Dann sagte sie leise: »Und?«
Er sah zur Zimmerdecke. »Ich … ich überlegs mir.«
Ausgerechnet jetzt, wo sich alles zum Guten wendet!, dachte er. Kajetan spürte, dass sie ein wenig von ihm abrückte.
»Wirklich«, beteuerte er. »Ich überlegs mir, ehrlich. Ich … muss bloß erst noch eine Arbeit fertig machen. Ich habs versprochen.«
Sie sah ihn forschend an. Dann drehte sie sich wieder weg.
Eine Weile blieb sie stumm. Dann gähnte sie. »Vielleicht spinn ich ja wirklich«, sagte sie leise. Nüchtern fügte sie hinzu: »Und jetzt musst gehen, Paule.«
Er seufzte, rollte sich aus dem Bett und tastete nach seinen Kleidungsstücken. Es war kalt in der Kammer, er zitterte. Sie knipste die Nachttischlampe an und sah ihm zu, wie er sich anzog. Als er sich zu ihr beugte und sie zum Abschied küsste, schlang sie ihre Arme um ihn.
»Ich wart auf dich, Paule«, flüsterte sie. »Aber nicht mehr ewig.«
»Ich werd kommen«, sagte er. Er grinste schief. »Hab ja auch noch Schulden bei dir.«
Sie erwiderte sein Lächeln nicht.
Er öffnete behutsam die Tür und verließ die Kammer.
Sie hörte seine Schritte leiser werden. Ihr Herz klopfte. Etwas Salziges rieselte in ihren Mund.
Dumme Kuh, dachte sie.
Sie löschte das Licht.
Eisige Kälte empfing Kajetan, als er auf die Straße trat. Er zog die Schultern zusammen. Durch den dichten Nebel schimmerte eine Straßenlampe. Er schritt schnell aus.
Ausgerechnet jetzt, dachte er.
33.
Nach Tagen quälender Schlaflosigkeit hatte Fürst kurz vor Sonnenaufgang endlich einschlafen können. Als er wieder die Augen
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