Am Ende eines Sommers - Roman
Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. »Ist Malcolm hier?«
»Nein, der ist heute Abend bei seiner Mum. Er kommt morgen früh zu mir. Wir gehen dann rüber zum Spielplatz, ein bisschen kicken. Wenn du mitkommen willst?« Er langt in den Kühlschrank und holt eine große Flasche Schweppes-Tonic heraus. Mum sagt immer, es muss Schweppes sein. Die andern schmecken billig. Ein bisschen wie nachgemachte Coke. Oder nachgemachter Ketchup. Bei manchen Dingen kann man keine Kompromisse machen. Stu schraubt den Deckel auf, und der Sprudel spritzt heraus wie ein Springbrunnen. Er gießt Tonicwater ins Glas, stellt die Flasche wieder in den Kühlschrank und nimmt eine Dose Bier heraus.
»Dad schon hier?«, frage ich, habe aber inzwischen begriffen, dass er nicht da ist.
»Nein, noch nicht, Alter. Als ich ging, wollte er im Oak noch einen trinken. Kommt bestimmt bald.«
Ich stehe immer noch neben Stu, an die Spüle gelehnt, und sehe zu, wie er am Ring der Bierdose reißt. Er sieht meinen Blick und grinst, beugt sich noch mal in den Kühlschrank und angelt noch zwei Dosen heraus.
»Steck sie unter den Pullover und ab nach oben, aber pronto.« Sein Ton ist leise und knurrend, wie ein Soldat mit seinem Kameraden spricht. Er gibt mir einen Schubs und zwinkert, und ich flitze zur Treppe.
Als ich die ersten paar Stufen hinaufgelaufen bin, kann ich Mum im Wohnzimmer sehen. Ich bleibe auf meinem dunklen Ausguck stehen und beobachte, wie sie am Kamin steht, lachend und vergnügt. Sie hat zwei Männer neben sich und Sandy auf der anderen Seite. Stu kommt mit seinen Getränken, und einer der Männer tritt zur Seite, um ihm Platz zu machen. Mum nimmt Stu das Glas aus der Hand und hebt es den andern entgegen, und sie alle tun das Gleiche: kling, cheers, trinken, lächeln.
Ich wünschte, Dad wäre hier und könnte sehen, wie hübsch sie ist.
Mary,
Februar 1967
Er passt ihnen nicht. Ich spüre, wie verschieden wir sind; sie schweben über dem Esstisch, während wir uns in einem unbeholfenen Rhythmus bewegen. Billys breite, raue Finger schließen sich ungeschickt um die silbernen Messer und Löffel, und ich bin sicher, Mutter hat für jeden Gang ein spezielles Besteck aufgelegt, um seine Manieren zu testen. Ich sehe, wie sie jede seiner Bewegungen verfolgt und darauf achtet, welches Messer er nimmt. Während sie sein Unbehagen beobachtet, fällt das Dämmerlicht durch die blanken Fensterscheiben auf seine Haut, und die Reflexe vom silbernen Besteck tanzen unter seinem Kinn. Er leuchtet wie eine Himmelsgestalt, und seine braunen Augen schauen mich über den Tisch hinweg an. Auch Mummy kann den Blick nicht von ihm wenden.
»Und, Billy – wie lange gehen Sie und Mary schon miteinander?«
Er lächelt mich an, und ich falle ihr ins Wort: »Mum, lass das Verhör. Er ist gerade erst gekommen.«
»Die Frage ist doch ganz harmlos, Mary. Und, Liebling, du weißt, dass ich es hasse, wenn du mich so nennst.«
Billy sieht mich an, als warte er auf meine Erlaubnis, bevor er antwortet. Ich schüttle resigniert den Kopf.
»Seit fast einem Jahr, nicht, Mary?« Seine Sprechweise klingt aufgesetzt und ist mir sofort zuwider. Er gibt sich Mühe.
»Wie nett.« Mummy schneidet ihren Räucherlachs. »Ich bin überrascht, dass Mary Sie nicht schon eher mitgebracht hat. London ist schließlich nicht so weit, nicht wahr, Liebling?« Sie sieht Daddy an und wartet auf eine Antwort.
Er stimmt ihr zu und isst weiter.
»Sauce?«, fragt sie und reicht Billy die Royal-Doulton-Sauciere über den Tisch.
Er nimmt sie und lächelt mit geschlossenem Mund. Kein Mann vieler Worte, würde sie sagen, und es wäre beleidigend gemeint. Als er den Kopf hebt und mir in die Augen sieht, bin ich nicht vorbereitet auf das Kaleidoskop von Farben, die er ausstrahlt. Am liebsten würde ich auf meinen Stuhl steigen und ihnen allen zurufen: »Dieser Mann ist so gut! Seht ihr das denn nicht?«
Mummy schaut der Länge nach über den Tisch zu Daddy, der am anderen Ende sitzt. Wir vier sind platziert wie kleine Figuren in einem adretten, viktorianischen Puppenhaus.
»Nun, es ist jedenfalls schön, dich zu Hause zu haben, Mary. Nicht wahr, Charles?«
Daddy blickt auf; er ist ein bisschen verdutzt. »Es schmeckt köstlich, Liebes.« Er lächelt. »Nicht wahr, Mary?«
Mummy funkelt ihn an. Billy bemüht sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, und ich möchte sterben, so peinlich ist mir dieses sonderbare Paar, das mich großgezogen hat. Mummy wirft Daddy noch einmal
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