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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
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deine Bude gezaubert.« Ich knipse das Licht an, es flackert kurz wie in einer Neunziger-Jahre-Disco ohne Techno. Zwei müde Tänzer unterm Stroboskop. An der Leuchtröhre klammert ein Weberknecht, eine Licht liebende Spinne, ein Außenseiter, einer von uns. Ich zeige auf mein BMX.
    »Das ist meine Kindheit.«
    »Warst du ein Trickser?«
    Seine Hand will irgendeinen Sprung, eine Drehung andeuten. Wahnsinnig beknackt sieht das aus, das Gelenk wirkt wie aus Gummi. Womöglich ist Valentin ein Schlangenmensch, ein X-Man, und ahnt nichts davon.
    »Ach Valentin, es ist traurig, aber wahr. Ich war wirklich nie mutig.«
    »Die meisten Trickser sind sowieso Proleten.«
    »Netter Versuch, mein Freund.«
    »Man darf nie aufhören, es zu versuchen.«
    Stumm betrachten wir meine Kindheit und warten auf das Ende des Schauers. Sollte es für immer weiterregnen, hätten wir zumindest Papas Surfbrett.
    80 Grad Celsius. Im schummrigen Licht unserer Kellersauna garen wir vor uns hin und spielen ein Autoquartett. In der Kategorie Hubraum verliere ich viele Karten. Die Wärme verursacht bei mir immer eine Erektion, und meine Erektion beschert Valentin ebenfalls eine Erektion, er schlägt vor, um die Wette zu wichsen, und ich habe ohnehin keine Lust mehr, Karten zu spielen, und lege los. Ich gewinne eindeutig. Für immer sechzehn.
    Fernsehen: Maskenweber singen um ihr Leben, um Weibchen, preisen ihre hängenden Nester an. Unter ihnen ruht eine Herde Impalas. Ein Schildkrötenjunges will seine Mutter nicht verlassen, die verbrannt in der Sonne liegt. Da frisst eine Hyäne beide.
    Im Bett: Valentin liest mir ein Märchen vor. Es handelt vom Glück.
    Licht aus.

19
    Glockenläuten hallt aus der Dorfkirche am Fuß des Hügels, sammelt die Katholiken ein. Wir schlafen weiter.
    Putzmunter drängt Valentin darauf, wo wir jetzt schon nicht nach Triberg zur Kuckucksuhr und den Wasserfällen gefahren sind, Königsburg zu besichtigen. Da er erst in sechs Stunden fährt, könnten wir ungefähr zwölf Rundgänge machen. Andererseits ist es möglich, einen Umweg zu laufen, zwischen Rentnern im Café im Nachbarort Schwarzwälder Kirschtorte zu essen.
    »Oh nein«, raunt Valentin.
    Er hält Lios rechte Vorderpfote in der Hand. Ich sehe selbst nach. Die Zecke hat sich schon fett und silbrig gesaugt. Mit einer Pinzette drehe ich sie aus dem Fleisch und zünde sie danach im Aschenbecher an.
    Valentins lederne Halbschuhe klappern durchs Dorf, als wären wir auf dem Weg zum Abschlussball.
    Neben dem Rathaus von Königsburg liegen Stallungen, Ponys fressen aus Trögen, ein Geißbock zetert. Mit schnalzender Zunge versucht Valentin die Ponys anzulocken. Damit, dass es tatsächlich funktioniert, hat er nicht gerechnet. Streicheleinheiten fordernd, recken die Pferde ihre Gesichter über den Zaun. Valentin weicht einen Schritt zurück.
    »Ich trau mich nicht.«
    Die Ponys und ich schütteln den Kopf.
    An der Tischtennisplatte auf dem Spielplatz meiner Grundschule laufen Kinder rund.
    Hier sagen sie Mäxle dazu. Meine Großmutter nannte mich auch immer so, wenn ich auf ihrem Schoß saß, mit Milchbart und Kekskrümeln in den Mundwinkeln.
    Wir schauen den rotierenden Knirpsen zu. Nach fünf Minuten werden wir aufgefordert mitzuspielen. »Keine Schläger«, sagt Valentin schulterzuckend.
    Zwei der Kids geben uns ihre abgenutzten Joolas, ziehen uns mit bloßen Händen ab.
    Als wir weiterwollen, sagt ein Mädchen, dass wir noch kurz warten müssen, schnallt ihre Rollerblades an und flitzt davon. Zwei Runden und zwei Niederlagen später slidet sie, ein großes Stück Lyoner in den Händen, wieder auf uns zu. Strahlend hält sie Lio das Wurststück unter die Schnauze. Uns hat sie nichts mitgebracht.
    Schwarzwälder Kirschtorte, anderthalb Stücke für jeden.
    Zuletzt sind wir auf dem Hügel, von dem ich ziemlich sicher weiß, dass er die schönste Aussicht bietet. Es ist zu trüb, um die Alpen in der Weite erkennen zu können. Valentin erzählt mir, dass ihm das Alleinsein große Angst macht, vor allem im Alter.
    »Hast du Mitleid mit mir?«, frage ich.
    »Ja, aber nicht mehr als mit mir selbst … und ich habe auch Hoffnung.«
    Wir sitzen Rücken an Rücken.
    Ich sehe Valentin nach, bis der Zug hinter der Biegung verschwindet, vom höchsten Gleis der Strecke in Richtung Norden, dorthin, wo es keine Gipfel gibt. Und keine Täler.
    Sinnloses Herumdrücken auf dem Handy. Seit Valentin fort ist, falle ich immer tiefer, werde zum eingesperrten Wellensittich, der, gefangen in

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