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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
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Stichen, diagnostiziert einen Schock und lässt mir Tabletten servieren, die mich müde machen.
    Am nächsten Morgen werde ich entlassen, Maria bringt mich zurück nach Königsburg. Ich kann nichts sagen. Bald werde ich etwas sagen, mich kümmern müssen. Meinen Verwandten, also dem Bruder meines Vaters, dem sportverrückten Onkel Georg, und seiner Familie muss Bescheid gegeben werden. Die einzige Person, mit der ich wirklich sprechen will, ist Valentin, aber selbst ihm konnte ich bis jetzt nur eine SMS schreiben. Er hat mir zwanzigfach darauf geantwortet.
    Außer meinem Onkel gibt es keine Verwandten mehr. Mama war, wie ich, ein Einzelkind, und ihre Eltern, meine Großeltern, starben ein paar Monate vor meiner Geburt, nahezu synchron an Herzversagen. Sie bekam mich, als sie neunundzwanzig war. So alt wie ich jetzt.
    »Ein bisschen zu spät«, sagte sie mal, als wir vor dem Doppelgrab der Großeltern in Konstanz standen.
    Wir harkten die Erde und steckten neue Pflanzen hinein. Mama war hektisch und geräuschlos rollten ein paar Tränen über ihr Gesicht. Als sie sie wegwischen wollte, schmierte sie sich Erde auf die Wangen. Ich dachte damals, dass sie nicht versuchen sollte sich zu tarnen und dass es nicht ein bisschen zu spät, sondern viel zu früh gewesen war.
    Die Großmutter, die ich kannte und mochte, die Mutter meines Vaters und von Georg, wohnte in einem riesigen Haus in Königsburg, das heute einem jungen Paar aus Hessen gehört, das eine Pension mit dem Namen Talsohle daraus gemacht hat, und strickte bis zu ihrem Tod vor sechs Jahren beinahe täglich ein Paar Socken. Oft saß ich ihr gegenüber und lauschte Dorfanekdoten. Da ging es um Eheschließungen und Ehebrüche, Obst- oder Gemüseernten, manchmal wurde ein Rind oder eine Sau geschlachtet. Einige wenige Male sprach sie von meinem Großvater, der gestorben war, als mein Vater volljährig wurde, davon, wie es einen Winter so heftig geschneit hatte, dass die Männer im Dorf im Stundentakt schippen mussten und es meinem Großvater dabei in den Rücken fuhr und er flach liegen musste. Als er mitbekam, dass die Frau an seiner Stelle das Trottoir räumte, schleppte er sich nach draußen und brüllte. Was sie sich dabei denke und was erst die Leute denken würden und dass er, wenn sie nicht sofort damit aufhöre, ihr die verdammte Schaufel ins Kreuz schlüge.
    Nachdem es dem Großvater einige Winter später ins Hirn blutete, vermisste sie ihn nicht. Meine Großmutter entschied sich dafür, allein zu bleiben. Sie starb in ihrem riesigen Haus, auf ihrer Seite des Ehebetts.
    Es war November, der erste Schnee rieselte, und auf der anderen Seite lag ein fertiges Paar Socken.
    Eigentlich geht es also bloß darum, Onkel Georg zu benachrichtigen. An Freunde und Nachbarn will ich nicht denken. Am wichtigsten ist ohnehin, nach Kreta zu fliegen, meine Eltern nach Deutschland zu überführen und begraben zu lassen.
    Sie wollten verbrannt werden, das weiß ich. Zuerst weine, dann lache ich über den Umstand, dass das jetzt nicht mehr veranlasst werden muss.
    Schließlich fällt mir ein, dass der Kombi noch im Parkhaus am Flughafen Zürich steht und abgeholt werden muss. Fluchend mache ich mich auf die Suche nach dem Zweitschlüssel.
    Ich hocke mit einer halb ausgetrunkenen Flasche Obstbrand in der leeren Badewanne, das Telefon im Schoß. Maria hat es wieder zusammengesetzt, außer einer kleinen Bruchstelle im Gehäuse scheint es den Aufprall erstaunlich gut überstanden zu haben. Endlich bin ich im Begriff die Nummer des Onkels zu tippen, da klingelt der Apparat. Um ein Haar kippe ich die Flasche um. Eine ausländische Nummer erscheint auf dem schmalen Display. Ich nehme an.
    »Max Flieger.«
    »Guten Tag, Maximilian. Mein Name ist Hannah Peleus.«
    Die Stimme der Frau klingt weit entfernt und ihr Name sagt mir rein gar nichts.
    »Ja?«
    »Du wirst dich nicht an mich erinnern. Ich bin eine alte Freundin deiner Eltern. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, hast du in einem Laufstall geschlafen.«
    Ich bleibe stumm, sie atmet nervös.
    »Mir gehört das Ferienhaus auf Kreta, in dem deine Eltern Urlaub gemacht haben, und ich …«
    »Wie kann denn so was bloß passieren … verdammt noch mal!«, platzt es aus mir heraus.
    Ich muss weinen und höre, dass auch Hannah weint. Bibbernd nehme ich einen Schluck Schnaps, versuche ihr ein Gesicht zu geben. Es wird tiefbraun, von dicken Haaren gerahmt und faltig um den Mund. Bis eben wusste ich nicht, dass meine Eltern eine

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